Big Thali. Urlaub 2015: All over now.

Indien2015Whoa

Wie es gute Sitte ist. Einmal die Links zum letzten Urlaub in das versiffte Indien in chronologischer Reihenfolge. Quasi am Stück.

Big Thali. Urlaub 2015: Touchdown in Delhi
Big Thali. Urlaub 2015: Ein Tag als Papst
Big Thali. Urlaub 2015: Für die Tonne
Big Thali. Urlaub 2015: Ehen gegen den Straßenverkehr
Big Thali. Urlaub 2015: I’m on a train. Boarding
Big Thali. Urlaub 2015: I’m on a train. Rolling
Big Thali. Urlaub 2015: Oma wird verheizt
Big Thali. Indien 2015: Krishna ohne Flöte
Big Thali. Indien 2015: Mahals Prüfungen
Big Thali. Indien 2015: Not so pink Pinkytown
Big Thali. Indien 2015: Ruinöses in der Wüste
Big Thali. Indien 2015: Überall ist Maike
Big Thali. Indien 2015: Die nicht-so-mega Megapolis

Und damit wir die Frage nach dem Thali auch gleich klären, bevor wie das Kapitel Indien (vorerst) schließen: Als Thali wird in der indischen Küche eine Mahlzeit bezeichnet, die aus verschiedenen, regional unterschiedlichen Bestandteilen zusammengestellt wird. Thalis bestehen meist aus kleinen Metallschälchen, die Gemüse, Fleisch oder kleinere Beilagen enthalten, die auf einem runden Tablett, das ebenfalls Thali genannt wird, mit Reis und/oder Fladenbrot serviert werden. (Wikipedia)

Big Thali. Indien 2015: Die nicht-so-mega Megapolis

Der Weg aus der Wüste nach Bombay, heute Mumbai, führt im üblichen Bahnwahnsinn über Jodhpur. Weil der Touristennepp mit der pinken Stadt in Jaipur scheinbar super funktioniert, malen die Menschen in Jodhpur vereinzelt Häuser blau an und reklamieren den Titel „Die blaue Stadt“ für sich. Selbst wer aus „dem grünen Herzen Nordfrieslands“ kommt, kann angesichts dieses Mangels an Originalität nur den schweißbeperlten Kopf schütteln. Auch ein Fort haben sie in Jodhpur, ob nachgebaut oder original interessiert uns aber nicht, denn wir haben Hunger.

Der zahllosen Fladenbrote und Linsengerichte über, bestellen wir leichfertig auf der Dachterrasse des Etablissements „Zum lahmen Lahmen“ zwei vegetarische Burger. Was nach einer Dreiviertelstunde bei 43 Grad serviert wird, sieht aus, als hätte sich in der Küche ein Unfall ereignet und wir das Opfer auf die Teller bekommen. Wir flüchten überstürzt in ein Restaurant von Ahimsa-Jainisten, die nur zubereiten, was die Natur freiwillig hergibt. So schmeckt es dann auch. Allerdings offeriert die handwerklich geschickte Inhaberin auch Mehndi-Fußbemalung. Wenn man schon mal hier ist, warum nicht. Mit noch feuchtem Henna-Tattoo ab in den Nachtzug nach Bombay.

Bombay ist ersteinmal riesig. In einer Stadt von gut 18 Millionen Einwohnern, braucht man doch schon eine entnervte Stunde von Hauptbahnhof zum Hotel – mit dem Taxi, wohlgemerkt. Zum zweiten sind die Teile der Stadt, in denen wir uns bewegen dann vergleichsweise sauber. Bedeutet: Weniger Müll. Aber gute indische Traditionen wie verrottende Kolonialbauten, auf den Verkehrsinseln und Bürgersteigen schlafende und wohnende Obdachlose sowie ihrer Inkompetenz durch permanentes Hupen Ausdruck verleihende motorisierte Verkehrsteilnehmende gibt es auch hier. Same same, no different.

Aus unserer Perspektive ist die Umbenennung in Mumbai treffend. Die Stadt ist eher mumpsig als bombig. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind bald abgelaufen. Ramsch bestimmt das Angebot. Auf der Suche nach WLAN latscht man dann einer schlecht abgesperrten Bollywood-Produktion durchs Bild. Nach Stunden stehen wird dann vor einem Schild, das uns alle Sorgen vergessen lässt: Free WiFi with your beer. Wir nehmen Platz und während die Bedienung routiniert mit Kapselheber hantiert und eingießt, freuen wir uns irgendwie auch auf zu Hause. Auf richtigen Kaffee, weniger Hupen und keine Paparazzis.

P.S. Bei einer abschließenden Bootstour konnten wir das Rätsel lösen, warum im Bombay so wenig Müll herumliegt. Die Einheimischen tragen den lieber in das UNESCO-Kulturerbe Elephanta Island. Hat also alles seine Richtigkeit.

Big Thali. Indien 2015: Überall ist Maike


Die Festungsanlage von Jaisalmer ist genau so rummelig, wie die Stadt um sie herum. Müll, Souveniers und Bauschutt. Immerhin in der sengenden Sonne ein Blick über die Wüstenstadt. Auf Balkone die teils als Altpapierdepot teils als Familienschlafstatt dienen. Die Flucht vor dem himmlischen Feuerball treibt in eine staubige Kaschemme, in der Lemon-Soda stilecht mit dem Finger im Glas serviert wird. Der Finger, mit dem die Kellnerperson kurz darauf die Flusen aus ihren Zehen puhlt und die üblichen Fragen stellt: Where do you come from? First time in India? Do you like?

Als unser Heimatland zur Sprache kommt, die interssierte Nachfrage: Ob die Frau denn eine Schwester von Maike sei? Die käme auch aus Deutschland und sei ihr aus dem Gesicht geschnitten. Also blond, mit blauen Augen und eben deutsch. Maike habe ja seinen guten Freund Navi geheiratet und mit nach Deutschland genommen. Navi fand das super, Navis Mutter war nicht so angetan, weil Maike schon zwei Inder von Navi geheiratet hatte, die aber wohl irgendwelche Macken hatten. Zum Abschied dürfen wir noch einen Blick in das Gästebuch werfen, wo sich auch Maike verewigt hat. Zügig geht es weiter in die Wüste. Ein kurzer Stopp im Nirgendwo, wo es statt Kunsthandwerk einen Traktor und Schlafende zu betrachten gibt.


Weiter. Zusammen mit Päarchen aus Kolumbien und Weißrussland und einer unerträglich geschwätzigen Australierin mit ihren Lebensabschnittsgefährten. Für sie war alles awesome und amazing und selbt das Erdbeben in Nepal war irgendwie toll. Alle dürfen an ihren spinnerten Plänen teilhaben: Nach Indien durch Europa reisen, mit einem zu kaufenden Wohnmobil, für kleines Geld. Sie nutzt unsere Anwesenheit für Detailfragen: You guys got the metric system? How much is a litre of gasoline in Germany? Viel Spaß auf der Zulassungsstelle! Viel Spaß mit 1.000 Euro pro Monat im Budget! „Gute Reise“ mit einem boshaft-schadenfroh falschem Lächeln.

Es geht auf die Kamele, durch ereignisarme Landschaft. Sand, Sand, Sand, Sträucher und natürlich ein wenig Müll. Wir sind hier schließlich in Indien. Die Wackelei ist mit dem Ritt auf einem Elefanten vergleichbar, einzig das Aufbocken und Hinhocken der Höckerträger gewöhnungsbedürftig. Selbst mitten in der Wüste zieht Miss Australia es vor Mitreisenden das Naturerlebnis zu verquatschen, wo ist der Treibsand, wenn man ihn braucht. Ein Opfer für Sarlac? Wir hätten da wen dabei! So geht man an der dritten Düne getrennte Wege, genießt, was der spontane Sandsturm vom Sonnenuntergang übrig lässt und erfreut sich der Einsamkeit.


Auf der nächtlichen Rückfahrt nach Jaisalmer möchte dann auch der Fahrer ein wenig plaudern. Ach, aus Deutschland kämen wir? Ein Freund von ihm wohne auch dort. Der Navi. Der hätte hier in Jaisalmer geheiratet, eine Deutsche. Die habe ihn mitgenommen, nach Berlin. Da lernt er jetzt Deutsch. „Ach der Navi?“, fragen wir? „Der hat doch die Maike geheiratet. Kennen wir!“ Die Welt ist halt ein Dorf und Maike ist überall.

Big Thali. Indien 2015: Ruinöses in der Wüste


Der wohlklingende Name ist trügerisch: Jai Sal Mer ist kein französicher Küstenort, sondern Jaisalmer, eine Stadt in der Wüste, gut 100 Kilometer von der parkistanischen Grenze entfernt. Oder von der indischen Grenze. Je nach dem mit welcher Atommacht man es sich verderben möchte. Mehrsprachig empfängt die metallische Durchsage am Bahnhof Ankommende. Tatsächlich zeigt sich das Land hier von seiner aufgeräumteren Seite. Also weniger Müll, erträglicherer Exkrementedunst und eine überschaubare Zahl an Verkehrsteilnehmenden. Dafür Schweine und Ziegen, die sich hungrig daran machen, die achtlos weggeworfenen Abfälle zu dezimieren.


Ein weiteres Novum: Armee auf jeder Straße; schließlich findet man den Nachbarn ja nicht all zu bombig. Interessant, wie die indische Bundeswehr sich eine lässige Note verleiht. Neben Mütze ist auch Turban zulässig, das olivfarbene Hemd nach Feierabend gerne bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, um die silberne Big-Daddy-Brustbehaarung zu präsentieren. Einzelhändler locken streunende Kühe in ihre Geschäfte, die übrigen Kleinunternehmer sind von der Hitze so K.O., dass sie kaum versuchen, Touristen von ihrem Angebot zu überzeugen; sonst zeckige Tuktuk-Fahrer lassen sich allein mit Blicken abweisen. Die Wüste hat ihre Vorteile.


Die Wüste hat allerdings auch Nachteile. Da hier keiner so recht Lust auf Arbeit zu haben scheint, dauert nicht nur die Zubereitung von Speisen, sondern auch der Hausbau Ewigkeiten. Die Mahnmale der Kapitulation vor der sengenden Sonne sind zahlreich und das Stadtbild prägend. Staubige Rohbauten in jeder Gasse. Vieles, was höher als ein Stockwerk ist und mal schlüsselfertig war, ist in stetigem Verfall begriffen. Überdies ist alles angenehm gelb und staubig, aber das bringt die Wüste nun mal mit sich. Warum hier Menschen leben und noch dazu eine beeindruckende Festungsanlage erbaut haben, die Indiana Jones and the Last Crusade zur Kulisse gereicht hätte, weiß sicher die Wikipedia. Außerdem: Auch Helgoland ist bewohnt.


Noch nicht endgültig ergründet ist bislang der mysteriöse Muezzin. Stimmlich äußerst irrtierend scheint es sich dabei um einen Zwölfjährigen zu handeln, der überdies mit technisch anfälliger PA oder einem akustisch wenig planvoll aufgestellten Minarett zu kämpfen hat. Durch variable Lautstärke und Tonqualität bekommt das Liturgische ungewollten Pepp. Unterlegt mit einem dicken Beat hätten die jugendlichen Ausrufe Hitpotenzial. Die Wüste überrascht. Seltsam, aber so steht es geschrieben.

Big Thali. Indien 2015: Not so pink Pinkytown


Iteration erzeugt Wirklichkeit. Wenn nur genug Menschen an eine Sache glauben, hat das realweltliche Folgen. Nach dieser Formel schafft sich die Menschheit seit Jahrtausenden zuverlässig ihre größten Probleme. Nach dieser Formel muss das indische Tourismus-Ministerium auch Jaipur zum Reiseziel erhoben haben. Eine pinke Stadt, ein Geflecht aus Basaren, auf denen Händler Waren aus dem ganzen Land anbieten. Tatsächlich ist die pinke Stadt unter all ihrem Ranz höchstens orange und die Basare können mit ihren exotischen Waren keinem Polenmarkt das Wasser reichen.


In durchnummerierten Schläuchen gibt es Schuhe, Tuch- und Lederwaren. Im Anschluss Schuhe, Tuch- und Lederwaren. Dann drei inhabergeführte Etablissments identischer Größe, in denen es Schuhe, Tuch- und Lederwaren gibt. Für weitere Abwechslung sorgen Händler, die in ihren Bauchläden mit Ziegenfell bespannte Trommeln oder die häßlichsten Marionetten der Welt feil bieten – so häßlich, dass selbst Chucky, die Mörderpuppe Alpträume bekäme und das Morden fortan sein ließe.


Die olfaktorische Klammer bildet ein allgegenwärtiger penetranter Pissegestank. Nicht lediglich ein poetisch verklärter unangenehmer Schleier menschlicher Ausscheidungen. Tatsächlich trifft den Besucher alle 25 Meter ein beißender Pissestank wie eine Faust in die Fresse. Es mag mit dem eklatanten Mangel öffentlicher Bedürfnisanstalten zu tun haben, oder dem Umstand, dass öffentliches Urinieren in Seitengassen indischer Volkssport ist. Das zu klären, ist Aufgabe von ganz harten Ethnologen, denn bei 45 Grad wird der Pissegestank toxisch.


Überdies zeichnet sich Jaipur durch größtenteils verkommene historische Gebäude – mit Ausnahme des tatsächlich gepflegt erscheinenden Palastes der Winde – und die ebenfalls historische Festungsanlage Fort Amber aus. Deren Besichtigung steht für morgen auf dem Programm. Man darf gespannt sein, ob die Region das Niveau zu halten vermag, oder sich die Festung am Ende als verkappte Biogasanlage herausstellt. Das wäre dann eine neue Bestmarke.