Big Thali. Indien 2015: Not so pink Pinkytown


Iteration erzeugt Wirklichkeit. Wenn nur genug Menschen an eine Sache glauben, hat das realweltliche Folgen. Nach dieser Formel schafft sich die Menschheit seit Jahrtausenden zuverlässig ihre größten Probleme. Nach dieser Formel muss das indische Tourismus-Ministerium auch Jaipur zum Reiseziel erhoben haben. Eine pinke Stadt, ein Geflecht aus Basaren, auf denen Händler Waren aus dem ganzen Land anbieten. Tatsächlich ist die pinke Stadt unter all ihrem Ranz höchstens orange und die Basare können mit ihren exotischen Waren keinem Polenmarkt das Wasser reichen.


In durchnummerierten Schläuchen gibt es Schuhe, Tuch- und Lederwaren. Im Anschluss Schuhe, Tuch- und Lederwaren. Dann drei inhabergeführte Etablissments identischer Größe, in denen es Schuhe, Tuch- und Lederwaren gibt. Für weitere Abwechslung sorgen Händler, die in ihren Bauchläden mit Ziegenfell bespannte Trommeln oder die häßlichsten Marionetten der Welt feil bieten – so häßlich, dass selbst Chucky, die Mörderpuppe Alpträume bekäme und das Morden fortan sein ließe.


Die olfaktorische Klammer bildet ein allgegenwärtiger penetranter Pissegestank. Nicht lediglich ein poetisch verklärter unangenehmer Schleier menschlicher Ausscheidungen. Tatsächlich trifft den Besucher alle 25 Meter ein beißender Pissestank wie eine Faust in die Fresse. Es mag mit dem eklatanten Mangel öffentlicher Bedürfnisanstalten zu tun haben, oder dem Umstand, dass öffentliches Urinieren in Seitengassen indischer Volkssport ist. Das zu klären, ist Aufgabe von ganz harten Ethnologen, denn bei 45 Grad wird der Pissegestank toxisch.


Überdies zeichnet sich Jaipur durch größtenteils verkommene historische Gebäude – mit Ausnahme des tatsächlich gepflegt erscheinenden Palastes der Winde – und die ebenfalls historische Festungsanlage Fort Amber aus. Deren Besichtigung steht für morgen auf dem Programm. Man darf gespannt sein, ob die Region das Niveau zu halten vermag, oder sich die Festung am Ende als verkappte Biogasanlage herausstellt. Das wäre dann eine neue Bestmarke.

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