Big Thali. Urlaub 2015: Ein Tag als Papst

Keine Einreise nach Indien, ohne Visum. Beruf? Journalist, kennt das Formular. Psychologin nicht. Dann nimmt man halt etwas anderes aus dem Gesundheitsbereich. Was die Therapeutin von Weltruf zunächst brüskiert, klärt sich vor Ort allsbald auf: Die geistige Gesundheit der Inder erscheint robust. Jeder einarmige Bettler fungiert lieber als Unternehmer, denn sich in Selbstmitleid zu suhlen. Der Waschgezwungene hätte angesichts der bei 45 Grad rege frequentierten öffentlichen Trinkwasserhähne nur die Alternative des  Verdurstens. Und Angst vor Ausgrenzung hat hier ohnehin niemand, da in der DNA der Bevölkerung das Gen der Zutraulichkeit eingestanzt ist.

Während Fotografen in der durchlegitimierten Heimat den Untergang der Straßenfotografie beschreien, ist das Recht am eigenen Bild in Indien so viel Wert wie ein Kraftfahrzeug ohne Hupe. Die Mutigen ringen sich ein „Excuse me Sir, can I take a picture?“ ab, bevor es Klick macht. Die anderen drücken unverholen auf den Auslöser, nachdem sie in Seelenruhe ihren Nachwuchs neben einem platziert haben. Weißhäutige, die das Red Fort besuchen, fühlen sich schon während der ersten Verweilpause wie Rockstars, wenn die schwarzhaarigen Paparazzi gnadenlos abdrücken.

Da sitzt man in der Jama-Masjid-Moschee und bepustet die vom kochenden Pflaster verbrannten Füße, sitzt da plötzlich der enthemmte Schüler, der sich auf sein Bewerbungsgespräch vorbereiten möchte. Das würde ja auf Englisch durchgeführt, was denn so die persönlichen Stärken und Schwächen seien, was man denn antworte. Im Laufe der für Rahid existenziellen Diskussion am heiligen Ort scharen sich dann knapp dreißig Interessierte, die an westeuropäischer Weisheit teilhaben möchten. So fühlt sich der Papst, wenn er Audienzen gewährt.

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