Big Thali. Indien 2015: Krishna ohne Flöte


Wer auf die Deutsche Bahn schimpft: Ab nach Indien! Bislang eine Verspätungsquote von 100 Prozent mit einer Minimalverzögerung von anderthalb Stunden. Daheim gibt es Geld zurück, hier muss man an das andere Ende des Waggons tapern um auszusteigen, weil das eine mit einem Berg Schmutzwäsche und einem darunter Schlafenden verstopft ist. Der erste Kontakt mit einem Einheimischen in Agra soll den ganzen Tag halten. Der Tuktuk-Fahrer bietet sich für akzeptable 750 Rupien als tagelanger Tourguide an. Elf Euro für einen Chauffeur gönnt man sich dann mal.


Erstaunlicherweise halten die Agrarier ihr kulturelles Erbe deutlich besser in Schuss, als die Bundesgenossen in Delhi oder Varanasi. Das Agra Fort ist geleckt, die Vermüllung sehr überschaubar und die Ausdehnung der Anlage dem Eintrittspreis angemessen. Kirsche auf dem Cocktail: Blick auf den Taj Mahal, symmetrisches Grabmal von Weltrang. Zurück ins Tuktuk. Tolle Idee unseres Fahrers: „Let’s check out the lokal Kunsthandwerk. I must show you Indian culture.“ Sein Sendungsbewusstsein ist uns Befehl.


Im durchklimatisierten Indoor-Basar gibt es das volle Programm: Skulpturen aus Holz, Messing und Bronze, Musikinstrumente, Kühlschrankmagneten. Wir wollen die handliche Krishna-Statue aus Messing, antik hin oder her, das Gewicht rechtfertigt den Preis. Aber: Die Flöte fehlt! Flötendender Krishna ohne Flöte = kein Geschäft. Der Apparat läuft an. Die fieberhafte Suche nach Krishnas Flöte bleibt erfolglos. Die letzte-Strohhalm-Lösung, eine eilig und wenig kunsthandwerklich mit einem Saitenschneider in Form gebogene Kupferlitze, sorgt für Heiterkeit und einen schnellen Abschied. Tschüss, Krishna.


Die Besuche im Marmor-Paradies und dem Seiden-Paradies verlaufen vergleichsweise unspektakulär aber erfolgreich. Im Tee-Paradies und den Armband-Paradies reisst dann die Hutschnur. No more Kunsthandwerk for today! Zum Tagesausklang eine Fahrt zum Hintereingang des Taj Mahal. Sieht von Nahem noch symmetrischer aus, nur die Inkompetenz der bettelnden Kinder irritiert. MONEY! CHOCOLATE! PEN FOR SCHOOL! Die trotzig vorgetragenen Forderungen prallen an uns ab wie die Regentropfen an der Motorhaube eines BMW, der mit Spezial-Lotusblüten-Abperleffekt-Wachs behandelt wurde. Herzlos geht die Welt zu Grunde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert