Big Thali. Urlaub 2015: I’m on a train. Rolling

Wir schlafen auf dem Gang. Einer oben, einer unten. Aber: nebeneinander. So gibt es Einblicke in zwei Abteile. Beide sind unspektakulär. Die Bananenfamilie isst Bananen, Papa mit Sohn und den beiden What’s-appenden Teenie-Töchtern im Nebenabteil sind  auch fernab von unterhaltsam. Auftritt: Der Sprüher. Wohl auch, oder vielleicht sogar vor allem, wegen des perversen Gestanks, der von meinen Füßen und den zwei Tage durch Delhi getrabten Tevas ausgeht, kommt die Ein-Mann-Taskforce gegen üble Gerüche. Zwei Schritte ein Sprühstoß, zwei Schritte ein Sprühstoß. Nach einer Minute riecht der gesamte Waggon, als stünde eine Klostein-Fabrik in Flammen. Auf Dauer siegen aber doch meine Füße. Sorry! Keine Absicht.

Während die Mitreisenden ob des für sie unerträglichen Gestanks unruhig werden und mittlerweile teils grüngesichtig nach dem Quell des Unheils fahnden, schaue ich mit unschuldigem Blick aus dem Fenster. Vor der Stadt ist noch übler als in der Stadt; für Menschen, die sich für Müll interessieren, indes ein Paradies. Auf und neben den Gleisen türmt sich der Plastik-Unrat. Umsichtige Menschen zünden die Müllberge kurzerhand an, dann ist Platz für neuen Müll. Während die ersten Mitreisenden sich Taschentücher vor das Gesicht binden um die Atemwege vor meinen Fußgasen zu schützen passieren wir – olfaktorisch passend – Pyramiden aus Kuhfladen, die in der Sonne trocknen. Tränen fließen. Mittlerweile sind der Geruch meiner Füße, die Ausdünstungen meiner Sandalen und das Klostein-Spray eine unheilige Allianz eingegangen, die Senfgas wie Tannenduft erscheinen lässt.

Würgen und verstärkter Speichelfluß. Passend dazu passieren wir eine Ziegelei in Familienbesitz, so zumindest der Anschein. Ein älteres Paar treibt einen Bullen an, den Karren zu ziehen, auf dem sie mit steinernem Baustoff sitzen. Hinter ihnen trocknen in langen Reihen die frisch geformten Klinker in der Nachmittagssonne. Sechs flinke Hände füllen die Formen, streifen überschüssige Masse ab und legen die Rohlinge in der Hitze aus. Praktisch, dass man den eigenen Kindern ja kein Gehalt zahlen muss.

Schlaf zu finden ist schwer. Indian-Kevin hat sein Ritalin nicht genommen und geht voll ab, rennt den Gang rauf und runter und müllert sich schließlich ab. Papa in der Koje rülpst mit Inbrunst, was seiner Tochter schlecht bekommt. Mandira ist reisekrank und reiert sich eine Armlänge entfernt von unseren Pritschen die Seele aus dem Leib. Nach einer unruhigen Nacht werden wir Zeuge eines ungewöhnlichen Schauspiels. Bei Sonnenaufgang verlassen die Bauern ihre Hütten und strömen auf die Felder. Allein auf der Scholle lässt die Landbevölkerung das Beinkleid zu den Knöcheln fallen, geht in die Hocke und entleert die Därme. Bei uns wäre so viel enthemmte Natürlichkeit wohl  „bio“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert