Gaijin. Japan 2019: Aller guten Tempel sind drei

Beim Müsli-Frühstück, oder was man in japanischen schwarzbrotlosen Supermärkten als Müsli verkauft, fragt Wandervogel 2 beim Durchblättern des Reiseführers beiläufig, ob denn auch der als exquisit markierte Kinkaku-ji Tempel auf der Tagesordnung stünde. Der Reiseleitung fällt der Löffel aus dem Gesicht. Es ist keine Zeit für Ausreden. Der verdammte Tempel ist ihr in der Vorbereitung durchgerutscht und muss nun nachträglich integriert werden. Denn wo Weltkulturerbe draufsteht, sind Wandervögel präsent.

Der von einem goldenen Phoenix gekrönte und in zwei Etagen mit Blattgold verzierte Tempel erweist sich als populäres Ausflugsziel. Zu Tausenden strömen Touristen in die Anlage und erschweren eine effektive Abarbeitung durch die Wandervögel. Immerhin ist die Anlage von beschaulichen Ausmaßen, so dass es dennoch zügig zum zweiten Punkt auf der Agenda gehen kann, dem Tempel Tōdai-ji in Nara. Der Weg führt nach kurzer Bahnfahrt durch eine Fußgängerzone, in der ein alter Bekannter aus einem Greifer-Automaten Wandervogel 2 grüßt: Kirby. Angezogen von der rosaroten Niedlichkeit inspizieren die Wandervögel das Etablissement, in dessen oberen Stockwerken Meilensteine der Videospielgeschichte warten: Space Invaders, Donkey Kong, Ghouls ’n Ghosts, Nemesis, R-Type und House of the Dead Scarlet Dawn. Die Jugend allerdings begeistert sich vornehmlich für Tänzerisches und gibt alles bei Dance Dance Revolution und anderen Bemanis. Doch weiter, weiter, weiter!

Als Vorboten der Tempelanlage und deren Nebenattraktion liegen dutzende Rehe gelangweilt am Wegesrand. Entgegen ihrem natürlichen Instinkt verspüren die possierlichen Tierchen nicht das geringste Fluchtbedürfnis und lassen sich bereitwillig füttern und fotografieren. Ihre trotz der permanenten Fütterung noch immer schlanke Körperform, verdanken sie ihrem beschleunigten Stoffwechsel: auf jedes Augenpaar eines scheu dreinblickenden, kauenden Waldbewohners kommen drei höchst produktive Hinterteile, die zu einer massiven Verkotung des Areals beitragen und den Spaziergang zum Hindernislauf machten. Kranichen gleich, frei von jeder Anmutung und voller Sorge über eingetretene Rehausscheidungen stockeln die Wandervögel durch das Gehege.

Hauptattraktion neben dem Tempel selbst, eine der größten Holzkonstruktionen der Welt, ist der darin sitzende 16 Meter hohe Bronze-Buddha. Die Trillionen Schulklassen hingegen fokussieren ihr Augenmerk auf einen unauffälligen Pfeiler. In dessen Fuß befindet sich ein Loch, dessen Ausmaße denen des Buddha-Nasenlochs entspricht. Entsprechend wollen die Blagen herausfinden, ob sie – zumindest in der Theorie – dem Buddha in die Nebenhöhle krabbeln könnte. Was auch immer man da will, schließlich fand Jona seine Zeit im Wal ja auch nur so mittel. Während Wandervogel 2 schadenfroh auf ein dickes und sich selbstüberschätzendes Kind hofft, kümmert sich Wandervogel 1 um ihr Wohlergehen. Vor dem Tempel steht ein Holzbuddha, dessen Bereibung – und nachfolgende Bereibung des eigenen zur Berreibungsstelle korrespondierenden Körperteils – Linderung verschaffen soll. Hilft so gut wie Globuli.

Doch die Zeit drängt, denn schließlich schließt die letzte Tempelanlage auf der Agenda, Fushimi Inari Taisha, mit Einsetzen der Dämmerung. Nach kurzer Zugfahrt werden die Wandervögel auch hier mit Horden von Schaulustigen konfrontiert. Das wissen auch die Mücken und zapfen die Wandervögel fröhlich an. Entsprechend ungelenk und sich fortlaufend selbst beklatschend eiern die Uneingesprühten durch die tausenden orangenen Tore der Anlage. Doch kennt man eines, kennt man alle und am Ende des Tages stellt sich – nach 17,5 Kilometern auf den Beinen – heraus, dass das Sprichwort, dass aller guten Tempel drei seien, ganz großer Quatsch ist.

Gaijin. Japan 2019: Kimono-Overload in Kyoto

Nach der ersten Nacht im automatisierten Appartement geht es ab in die Stadt. Allerdings stellt sich Kyoto in weiten Teilen als weniger hutzelig denn arg betoniert heraus. Der Weg führt durch die menschenleeren Gassen der Randbezirke, was die Wandervögel zu Spekulationen anregt, wo denn die ganzen Menschen sind, die in den hohen Häusern wohnen. Als eine plausible Antwort erscheint, dass sie den ganzen Tag lang durch die U-Bahn-Stationen hetzen und mit den Zügen hin und her fahren, um das Bild von Geschäftigkeit zu unterfüttern. Ebenso eigenartig ist die auffällige Abwesenheit von Abfallbehältern im öffentlichen Raum, während jeder Tourist eine Tüte mit Plastikabfall herumträgt. Die Lösung ist einfach und wie alle einfachen Lösungen bescheuert: Das Credo lautet: Wenn es keine Abfalleimer gibt, produzieren die Leute auch weniger Abfall. Und das angesichts der Tatsachen, dass selbst einzelne Kekse in Plastikfolie verpackt sind und Supermärkte Einweg-Strumpfhosen im Sortiment führen.

Da auch Kyoto einen Fischmarkt besitzt, ist das Frühprogramm gesetzt. Neben Konfiserie-Obst umfasst das Angebot diverse eingelegte Rettichsorten und mit Wachteleiern gefüllte Mini-Oktopusse am Stock. Wurgs. Das Frühstück muss warten. Es geht weiter zum Event des Tages: Der großen Geisha-Show im historischen Kaburenjo-Theater am Kamo. Dass man es hier ernst meint mit der Tradition, wird schon vor dem Eintritt deutlich. Interessierte Paare werden vor dem Anstehen an den Ticketschalter getrennt, nur ein Interessenvertreter pro Reisegesellschaft bittet sich der gestikulierende Anweiser aus. Es folgt ordentliches Anstehen für die Fahrstuhlfahrt in den vierten Stock, wo die als Einstimmung gedachte Teezeremonie stattfinden soll.

Reihenweise sitzt die aus vorherigen Fahrstühlen gequollene zahlende Zuschauerschaft um die Bühne, auf der die Geisha bereits fleißig mit Wasser und Matcha-Besen hantiert. Während das Personal Anwesenden Matcha serviert, ist eine außerordentlich ausladend Geformte bereits laut schmatzend mit dem Verzehr der zum Matcha zu verspeisenden Süßware beschäftigt. Die allgegenwärtigen Koriander sind einen Schritt weiter und wickeln bereits knisternd die Souvenir-Untertassen in Papierservietten. Die Geisha behält die Fassung und zeremoniert in Zeitlupe, während am Kanal die Wasserbauer mit Presslufthämmern aktiv werden. Nachdem die Wandervögel das erste Mal von ihrer grünen Plörre genippt haben, kommt Bewegung in die Bude. „Bitte aufstehen, bitte Weitergehen, die nächste Gruppe steht schon gackernd im Türrahmen.“

Nach dem misslungenen Achtsamkeitserlebnis geht es zur einstündigen Wartezeit in den Saal mit Geisha-Merchandise. Dann, endlich, das Geisha-Theater. Weißgeschminke bewegen sich roboterhaft über die Bühne und quäken ihre Texte für die letzte Reihe. Ein Ball, der aussieht wie ein Hamburger, ist in einen Brunnen gefallen und Holland ist in Not, die Zofen bringen der Kaiserin ihr Kind. Angesichts dieser wirren Theatralik driftet der kulturell ohnehin uninteressierte Wandervogel 2 in einen traumvollen Sekundenschlaf, aus dem er jedoch umgehend wieder hochschreckt. Eine Geisha aus dem Instrumentengraben hat sein Desinteresse ausgemacht und bläst immer dann schrill in ihre Bambusflöte, wenn sich das Kinn des Teutonen auf seine Brust senkt. Schnarch. Flöt. Schnarch. Flöt. Schnarch. Flöt. So geht das Kräftemessen zum Leidwesen aller, bis nach einer Stunde dann der Vorhang fällt.

Durch die Altstadt von Kyoto geht es zum Kijonizu-Tempel, denn wo UNESCO-Weltkulturerbe drauf steht, sind auch die Wandervögel vor Ort. Zu deren Leidwesen aber auch eine gefühlte Trillion Touristen aus aller Herren Länder. Eine Gemeinsamkeit verbindet sie allerdings: Um das authentische Japan besser erleben zu können, hüllen sie sich in traditionelle japanische Gewänder, die Kleinunternehmer am Wegesrand stundenweise vermieten. In der Folge herrscht Kimono-Overkill. Mit dem Strom schwimmend kämpfen sich die Wandervögel den Tempelberg hinauf, vorbei an Unternehmen, die Matcha in allen vorstellbaren Darreichungsformen anbieten. „Wenn es nur grün ist, werden es die Gaijins schon kaufen.“

Am Ziel angekommen, kommt es wie es kommen muss. Damit für Olympia 2020 alles super aussieht, muss es vorher auf Hochglanz poliert werden. Baugerüste und Abdeckplanen sind der ungerechte Lohn des steilen Aufstiegs, wenngleich sich die Schönheit den Bauwerks immerhin sporadisch erahnen lässt. Maulig marschieren die Wandervögel mit strammem Schritt zurück ins Tal. Da die astronomischen kyotischen Preise und das zu weiten Teilen aus Wagyu bestehende Angebot ruinös erscheint, überfallen dis Reisenden kurzerhand einen Supermarkt und machen sich ihr eigenes Essen – frisch und farbenfroh.

Gaijin. Japan 2019: Viel Lärm um Bambus

Die Wandervögel haben genug von den Betonblocks und Neonlichtern der 9,5-Millionen-Metropole und machen sich auf den Weg nach Kyōto, das mit etwa 1,5 Millionen Japanern sicher ländlicher anmutet. Sicher. Doch bevor es in die Stadt geht, steht grün auf dem Programm. Es zieht die Reisenden nach Arashiyama, dessen Bambuswald Weltruf genießt. Vor Ort stellen die Wandervögel allerdings fest, dass tatsächlich die ganze Welt und insbesondere die Koreaner den Bambus-Ruf vernommen haben und ihm gefolgt sind. Der winzige Ort ist voll von Bambus-Touristen und das Angebot entsprechend ausgerichtet. Bambus-Rückenkratzer, Bambus-Kaffeebecher, Bambus-Windräder. Bambus, Bambus und nochmals Bambus – und vor allem Koreaner.

Die Stammleserschaft weiß, die Koreaner sind der Wandervögel Kryptonit. Wo immer Sakralbauten oder beeindruckende Natur Ruhe gebieten, krakeelen die in Horden auftretenden Samsungs mit Trainingsanzügen in beknackten Dauerwellen munter umher. So auch im Bambuswald, der von einer Bahnlinie durchzogen ist. Selbst das extra in Koreanisch und sprachübergreifend auch Piktogrammen dargelegte Verbot hält die Nemesis nicht davon ab, johlend auf den Gleisen zu posieren. Um dem irritierenden Irrsinn zu entfliehen, ziehen sich die Wandervögel hinter eine Bezahlschranke zurück und erkunden das Anwesen des Stummfilmstars Okochi Denjiro.

Emsig schnippeln hier Gärtner auf wackeligen Leitern an Kiefern und Fichten herum, um das Grün in ästhetisch ansprechende Formen zu bringen. Auf Steinwegen mäandern die Wandervögel vorbei an Mooswiesen und idyllischen Bergblicken, um schließlich ihren Tee serviert zu bekommen. Alle Warnungen in den Wind schlagend, nippen sie an dem im Wasser aufgelöstem und aufgeschäumten Grüntee-Pulver. Eine dumme Idee, denn das vermeintliche Super-Getränk Matcha ist der Geschmack gewordene Geruch der Socken von Wandervogel 2. Schlimmer noch: Die küchliche Beigabe, die den Matcha-Geschmack komplementieren soll, stellt sich als Zuckerschock-induzierender Unsinn heraus. Geschmacklich höchst irritiert straucheln die Wandervögel zurück in den Zug.

Zurück in Kyōto wartet die größte Herausforderung des Tages. Wandervogel 1 hat ein Appartement in einem personallosen Komplex gebucht. Tatsächlich gestaltet sich der Check-In an einem iPad als erstaunlich reibungslos und auch die E-Mail mit dem Code für das Öffnen der Appartement-Tür rauscht direkt in den Posteingang. Im Inneren haben die Betreiber es geschafft, auf wenig Raum viel unterzubringen. Vor allem ein vernünftiges Bett für die zerschundenen Knochen. Die einzige Sorge die bleibt, was wenn das Toilettenpapier ausgeht? Eine Rolle macht noch keinen Sommer.

Gaijin. Japan 2019: Katzenhype in Nikko

Nach all dem Tokio-Beton zieht es die Wandervögel zu einem Tagesausflug auf das Land. Mit dem Shinkansen-Schnellzug soll es nach Nikko gehen, denn wo Weltkulturerbe draufsteht, sind die Wandervögel nicht weit. Doch zuvor ein Besuch auf dem Tokioter-Fischmarkt. Die Frage nach dem Warum stellt sich nicht, schließlich gehören die Fischmärkte maritimer Metropolen einfach zum Pflichtprogramm. Zweifel unerwünscht. Tatsächlich hat Tokio seine alte Fisch-Auktionshalle rechtzeitig zur Ankunft der Wandervögel abgerissen und so stehen diese nun ratlos von einer Ruine. Doch die Fischhändler lassen sich von einem solchen Rückschlag nicht kleinkriegen und versuchen in den anliegenden Straßen und Gassen weiterhin ihren Fisch – und anderen Kram – an die Person zu bringen. „Gefüllte Seegurke?“ „Danke, nein.“ „Ein Karton getrockneter Stichlinge?“ „Wir müssen wirklich weiter.“

Der aktuelle Trend ist „am Stock“. Rührei am Stock, Frikadellen am Stock, Oktopus am Stock. Wandervogel 1 entscheidet sich für Thunfisch am Stock, zubereitet mit der Lötlampe. Von einer vitaminreichen Zwischenmahlzeit sehen die Reisenden aus Kostengründen ab, denn die Japaner sehen Obst eher als Geschenkartikel denn als Nahrungsmittel. So sind die Erdbeeren in Schachteln arrangiert wie anderswo feinste Konfiserie und Mangos werden in Kartons feil geboten, die iPhone-Verpackungen schäbig erscheinen lassen. Doch da Wandervogel 2 keine starkes Bedürfnis verspürt 400 Euro für ein Ginsu-Messer auszugeben, nur um es später mit der Flugaufsicht auseinandersetzen zu müssen, setzen die beiden ihr Tagesprogramm fort.

So schießen sie alsbald durch die Lande, Fabriken, Häuserblocks, Fabriken, denn irgendwo müssen die ganzen Menschen ja arbeiten und schlafen. Überhaupt geht man hier mit (vor allem winkenden) Personal geradezu verschwenderisch um, Personal winkt an Baustellen vorbei, Personal winkt über Zebrastreifen, Personal winkt durch Fahrkartenkontrollen. Befremdlicher Personaleinsatz angesichts der Tatsache, dass alle zehn Meter ein Automat steht, aus dem man sich Getränke oder Eis ziehen kann – bislang jedoch keine getragenen Damenschlüpfer.

Die Reise verläuft angenehm unaufgeregt und vor allem angenehm leise, weil die Japaner tagsüber in der Öffentlichkeit davon absehen, rumzugröhlen. Dafür importiert man sich dann Ausländer. An diesem Tag eine Kleingruppe vor dem Ruhestand stehender Holländer, die sich wie die letzen Schwerhörigen in der Bahn fortwährend darüber austauschen, dass man sich ja auch daheim Essen aus Automaten ziehen könne. Nach einmaligem Umsteigen finden sich die Wandervögel im bergigen Nirgendwo wieder. Der Weg zum Kulturerbe führt durch ein Hutzeldorf. Nikko.

Der Chef der Tourist-Information zählt Wandervogel 2 nach Erfahren dessen Nationalität en detail die Stationen der Deutschlandreise auf, die er 1998 unternahm. Zehn Minuten therapeutischen Nickens, man ist ja zu Gast und will nicht unfreundlich sein. Frankfurt Oder? Sehr schön. München? Toll. Bad Oeynhausen? Selbst nie da gewesen, aber sicher super. Ob man nicht länger bleiben wolle, in drei Tagen fände ein super Festival statt, mit Kostümen und Tänzen und allem Pipapo? Leider nein, die Reisevogel-Agenda ist gnadenlos. Aber Deutschland, top! Sicher, Japan sei auch super. Alles top, alles super. Alles ist gesagt und man geht seiner Wege.

Nach den tatsächlich idyllischen heiligen Brücken, die wie fast alles in Nikko wegen Olympia-Sanierung gesperrt ist, stellen sich der Tōshō-gū-Schrein und umliegende Architektur schließlich als mittelspannend heraus. Während den Wandervögeln die Alleinstellungsmerkmale fehlen, rasten andere Reisende über ein Katzenfresco aus. Aufregung, Schlangenbildung, Blitzlichtgewitter. Beim Abstieg von der Attraktion überfällt die beiden der kleine Hunger, so dass sie in einer Spelunke einkehren. Das Menü ist überschaubar und die Wahl von Wandervogel 2 fällt auf eine Brühe mit Nudeln von regenwurmigen Ausmaßen, die unter einem Hähnchenschnitzel versteckt ist, das wiederum unter einer zentimeterdicken Panade versteckt ist. Wandervogel 1 entscheidet sich für Nudeln mit allerlei Frittiertem am Stock. Voll im Trend eben.

Gaijin. Japan 2019: Ringende Speckbuletten

Praktisch ist, wenn der Tokio-Aufenthalt zeitlich mit dem Sumo-Frühjahrstournier koinzidiert. Weniger praktisch ist, dass die Karten umgehend ausverkauft sind. Als Retterin in der Not erweist sich die Herbergsleitung, die ein Kartenkontingent erstanden hat und Interessierten im Rahmen einer Sumo-Tour anbietet. Der nackte Horror für die Individualreisenden, aber besser Sumo mit der Gurkentruppe als gar kein Sumo. Zudem verspricht das Programm neben dem Schauspiel eine Einführung in den Kampfsport, Snacks sowie ein Verkosten der traditionellen Ringerspeise – Hot Pot.

Die Gurkentruppe erweist sich als von erträglicher Gurkigkeit – in Form diverser affektierter US-Amerikaner die aufgrund ihrer Zuckerdiät üblich überdreht sind. Enfant terrible ist Bobby, ein pyknischer Austauschstudent im sehr fortgeschrittenen Semester, der mit aufgesetzer Tuntigkeit und Begeisterung für alles und jeden das Augenrollen auf sich zieht. Wandervogel 2 hält dagegen, indem er 90 Prozent der für die gesamte Gruppe gedachten Reiscracker in sich oder Proviant-Rucksack stopft. Wandervogel 1 indes plündert mit den Worten „Oh, Tee!“ die Kiste von Hinterlassenschaften Abgereister. Schrullig können die Wandervögel richtig gut.

An der aus „Man lebt nur zweimal“ bekannten Arena angekommen, geben sich die Stars die Ehre. In Kimonos flanieren die Kolosse zwischen den johlenden Fans aller Altersklassen auf und ab, um Personenkult wie Devotionalienhandel anzukurbeln: Handtücher, Stäbchenhalter, Autogrammkarten mit Kalligrafie und Handabdrücken. Untermalt von der babyhaften Sumo-Hymne ‚Hakkiyoi‚, die sich als Ohrwurm in das Gehirn brennt. Die zwei Dutzend Kämpfe erweisen sich als kurzweilig, vor allem jedoch als kurz. Abzüglich des jeweils minutenlangen zeremoniellen Brimboriums dauert das eigentlich Geschubse und Geschiebe meist nur wenige Sekunden. Doch vor allem wenn 180 Kilogramm Biomasse aus dem Ring in die erste Reihe Kullern kommt Stimmung auf.

Was ebenfalls aufkommt, ist Hunger. Die Reiscracker sind verzehrt, der Magen knurrt. Wandervogel 1 fragt nach, wann es denn den versprochenen Hot Pot zu essen gäbe. „Hot Pot?“ fragt die Reiseleitung verständnislos. „Hot Pot!“ insistiert Wandervogel 1. „Hot Pot is what the Sumos eat“, erklärt die Reiseleitung. „Hot Pot is what we want to eat“, läßt der Wandervogel nicht locker. All das Gerede vom Hot Pot sorgt für Unruhe in der Gruppe, die sich ebenfalls an das Hot-Pot-Versprechen zu erinnern scheint. Und so geht es zum Hot-Pot-Verzehr ins Untergeschoss. Tatsächlich ist es aber viel Gewese um ein wenig Brühe mit Gemüse- und Schweineeinlage. Fraglich, wie viel Liter die Sumos davon aufsaugen müssen, um ihre prägnante Körperform zu erhalten.

Als das letzte Match des Tages gerungen und der Yokozuna erneut seinen Titel verteidigt hat, geht es an das Auswerten der Wettscheine. Eine ausgewogene Mischung aus blinder Raterei und Profundem Fachwissen bringt Wandervogel 1 immerhin den dritten Platz ein. Prämie sind zwei Postkarten mit Sumo-Motiven und ein Essstäbchen-Halter in Sumo-Form. Nach so viel Sumo geht es zurück in die Stadt. Ein abendlicher Abstecher durch die hübsch angestrahlte Tempelanlage Senjo-Ji, in derem Umfeld Ramschhändler gerade einpacken. Wandervogel kann beim Anblick der örtlichen Spezialitäten nicht länger an sich halten und wagst sich an einen aufgerollten Crêpe mit einer Füllung aus Erdbeere, Käsekuchenstück und Schlagsahne. Wider erwarten liegt der Fokus auf Schlagsahne. Aber: Von Luft und durch die Gegend Wandern ist schließlich noch keiner zum Sumo geworden.