Gaijin. Japan 2019: Katzenhype in Nikko

Nach all dem Tokio-Beton zieht es die Wandervögel zu einem Tagesausflug auf das Land. Mit dem Shinkansen-Schnellzug soll es nach Nikko gehen, denn wo Weltkulturerbe draufsteht, sind die Wandervögel nicht weit. Doch zuvor ein Besuch auf dem Tokioter-Fischmarkt. Die Frage nach dem Warum stellt sich nicht, schließlich gehören die Fischmärkte maritimer Metropolen einfach zum Pflichtprogramm. Zweifel unerwünscht. Tatsächlich hat Tokio seine alte Fisch-Auktionshalle rechtzeitig zur Ankunft der Wandervögel abgerissen und so stehen diese nun ratlos von einer Ruine. Doch die Fischhändler lassen sich von einem solchen Rückschlag nicht kleinkriegen und versuchen in den anliegenden Straßen und Gassen weiterhin ihren Fisch – und anderen Kram – an die Person zu bringen. „Gefüllte Seegurke?“ „Danke, nein.“ „Ein Karton getrockneter Stichlinge?“ „Wir müssen wirklich weiter.“

Der aktuelle Trend ist „am Stock“. Rührei am Stock, Frikadellen am Stock, Oktopus am Stock. Wandervogel 1 entscheidet sich für Thunfisch am Stock, zubereitet mit der Lötlampe. Von einer vitaminreichen Zwischenmahlzeit sehen die Reisenden aus Kostengründen ab, denn die Japaner sehen Obst eher als Geschenkartikel denn als Nahrungsmittel. So sind die Erdbeeren in Schachteln arrangiert wie anderswo feinste Konfiserie und Mangos werden in Kartons feil geboten, die iPhone-Verpackungen schäbig erscheinen lassen. Doch da Wandervogel 2 keine starkes Bedürfnis verspürt 400 Euro für ein Ginsu-Messer auszugeben, nur um es später mit der Flugaufsicht auseinandersetzen zu müssen, setzen die beiden ihr Tagesprogramm fort.

So schießen sie alsbald durch die Lande, Fabriken, Häuserblocks, Fabriken, denn irgendwo müssen die ganzen Menschen ja arbeiten und schlafen. Überhaupt geht man hier mit (vor allem winkenden) Personal geradezu verschwenderisch um, Personal winkt an Baustellen vorbei, Personal winkt über Zebrastreifen, Personal winkt durch Fahrkartenkontrollen. Befremdlicher Personaleinsatz angesichts der Tatsache, dass alle zehn Meter ein Automat steht, aus dem man sich Getränke oder Eis ziehen kann – bislang jedoch keine getragenen Damenschlüpfer.

Die Reise verläuft angenehm unaufgeregt und vor allem angenehm leise, weil die Japaner tagsüber in der Öffentlichkeit davon absehen, rumzugröhlen. Dafür importiert man sich dann Ausländer. An diesem Tag eine Kleingruppe vor dem Ruhestand stehender Holländer, die sich wie die letzen Schwerhörigen in der Bahn fortwährend darüber austauschen, dass man sich ja auch daheim Essen aus Automaten ziehen könne. Nach einmaligem Umsteigen finden sich die Wandervögel im bergigen Nirgendwo wieder. Der Weg zum Kulturerbe führt durch ein Hutzeldorf. Nikko.

Der Chef der Tourist-Information zählt Wandervogel 2 nach Erfahren dessen Nationalität en detail die Stationen der Deutschlandreise auf, die er 1998 unternahm. Zehn Minuten therapeutischen Nickens, man ist ja zu Gast und will nicht unfreundlich sein. Frankfurt Oder? Sehr schön. München? Toll. Bad Oeynhausen? Selbst nie da gewesen, aber sicher super. Ob man nicht länger bleiben wolle, in drei Tagen fände ein super Festival statt, mit Kostümen und Tänzen und allem Pipapo? Leider nein, die Reisevogel-Agenda ist gnadenlos. Aber Deutschland, top! Sicher, Japan sei auch super. Alles top, alles super. Alles ist gesagt und man geht seiner Wege.

Nach den tatsächlich idyllischen heiligen Brücken, die wie fast alles in Nikko wegen Olympia-Sanierung gesperrt ist, stellen sich der Tōshō-gū-Schrein und umliegende Architektur schließlich als mittelspannend heraus. Während den Wandervögeln die Alleinstellungsmerkmale fehlen, rasten andere Reisende über ein Katzenfresco aus. Aufregung, Schlangenbildung, Blitzlichtgewitter. Beim Abstieg von der Attraktion überfällt die beiden der kleine Hunger, so dass sie in einer Spelunke einkehren. Das Menü ist überschaubar und die Wahl von Wandervogel 2 fällt auf eine Brühe mit Nudeln von regenwurmigen Ausmaßen, die unter einem Hähnchenschnitzel versteckt ist, das wiederum unter einer zentimeterdicken Panade versteckt ist. Wandervogel 1 entscheidet sich für Nudeln mit allerlei Frittiertem am Stock. Voll im Trend eben.

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