Íngreme. Madeira 2020: Treibender Bauwahn

Bevor die Atlantikbrandung die ausschlafenden Wandervögel zärtlich aus dem Schlaf wecken kann, übernimmt das lieber der Appartement-Besitzer. Zusammen mit einem Hilfsarbeiter macht er sich mit schwerem Gerät an bauliche Erweiterungen in Form einer Grillstätte. Zu Baulärm mampfen die Wandervögel ihr Frühstück, zu Baulärm packen die Wandervögel ihre Sachen, zu Baulärm drapieren sie wieder das halbe Dutzend perverse Schimmel übertünchende Süße verströmende Duft-Dinger in den Räumen bevor sie – zu Baulärm – den Schlüssel in den Briefkasten werfen und zur nächsten Unterkunft aufbrechen und auf dem Weg dorthin den Reiseplan abarbeiten.

Auf engen und steilen Serpentinen geht es durch menschenleere Orte ohne Bürgersteige. Der ohnehin hohe fahrerische Anspruch wird durch eine Brückenbaustelle verstärkt, die ein reges An- und Abfahren der monströsesten Baumaschinen der Insel nach sich zieht. Immer wieder durchzieht ferkeliges Quieken der Überraschung die Nuckelpinne, wenn beim Durchfahren einer Haarnadelkurve auf der Gegenspur plötzlich ein Betonmischer auftaucht und unmissverständlich klar macht, dass ihm Außenspiegel eben so wenig bedeuten, wie dem aufziehenden Gewitter die fast trockene Wäsche auf der Leine. Angekommen in Santana präsentiert sich der Lohn der Mühe in Form eines überschaubaren Freilichtmuseums von Weltruf.

Vier traditionelle strohgedeckte und bunt bemalte Hütten laden zu atemlosen Staunen ein. Die Wandervögel lehnen die Einladung dankend ab. Dem Zeitgeist der arbeitsteiligen Gesellschaft folgend, sitzen darin nicht mehr zahnlose stickende Frauen, sondern meckernde Stickereien und anderen Tand verkaufende Frauen. So holt sich Wandervogel 2 beim Anfertigen von Beweisfotos für die Online-Dokumentation der feil gebotenen Geschmacklosigkeiten gleich eine Schimpfe ab, schließlich gelte an diesem historischen Ort absolutes Fotoverbot. Wandervogel 1 glättet die Wogen durch den Kauf eines Kühlschrankmagneten in Form einer Puppe einer in Tracht gekleideten Frau mit einem schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck.

Nach Kultur steht Bergwandern auf dem Programm. Beim Anlegen des adäquaten Schuhwerks bemerkt Wandervogel 1 einen vertrauten aber gerade unpassenden Geruch. Das Frühstücksaroma stammt von dem rohen Ei, dass die Last des Rucksacks von Wandervogel 2 nicht tragen wollte und sich entschloss, sein Innerstes offen zu legen und langsam auszubreiten. Lecker. Begleitet von zartem Eigeruch geht es unter den Schwingen tieffliegender Schwalben auf und ab durch die Berge. Das idyllische Naturerlebnis stören lediglich andere vermeintliche Naturliebhaber – entweder durch lautes sinnentleertes Geplapper oder durch die Präsentation von bis weit über die zulässige Belastungsgrenze gefüllte Leggings, die immerhin die Leistungsfähigkeit moderner Kunstfaser vor Augen führen.

Die Krönung der Nervigkeit stellt sich auf dem Gipfel in all ihrer belästigenden Pracht dar: Mit höchster Konzentration steuert ein Fluganfänger seine Billig-Drohne über die Bergspitze. Keinesfalls um hochauflösende Aufnahmen zu erstellen, um nach der Heimkehr der dahinscheidenden Großtante die schönsten Orte ihrer Heimat in einer multimedialen Präsentationen vorzuführen, bevor sich ihre Augen für immer schließen. Jedenfalls, um mal richtig geil durch die Gegend zu surren. Surr, surr, surr, bis irgendwann der Akku leer und die Luft wieder rein ist. Berggenuss. Beim Abstieg spricht die Reiseleitung bei der Gipfelschänke vor, um eine kalte Limonade zu ordern. Andere Länder, andere Sitten: Limonade am Gipfel nur warm. Die Kühlung ist exklusiv für Bier vorgesehen.

So geht es schließlich zum Tagesausklang in die nächste Unterkunft. Diese ist zur Abwechslung gut erfahrbar und bietet auch Atlantikblick. Dafür liegt das Appartement in einer menschenleeren Anlage, die selbst die Betreiber tagsüber verlassen. Kurze Info zur Begrüßung: „No Frühstück, no Mittag, only Abendbrot. Comprende?“ Um ihre Gäste nicht nur vor ihren kulinarischen Fähigkeiten, sondern auch vor schädlicher Strahlung zu schützen, wird zudem das WLAN in den Abendstunden abgeschaltet. So drapieren sich die Wandervögel auf ihrem Puppenstubenbalkon, lassen den Blick über den eiskalten Pool auf die Brandung schweifen und genießen die Abwesenheit allen Lebens. Abgesehen von den Mücken.

Íngreme. Madeira 2020: Atlantisches Inferno

Ein weder gebetener noch erwünschter Gast sorgt für einen turbulenten Start in den Tag; Aufgrund ihrer ausgeprägten Gecko-Allergie dreht die Reiseleitung geringfügig am Rad und beäugt mit größter Skepsis die halbherzigen Versuche von Wandervogel 2, den flinken Insektenfresser aufzuscheuchen und in den außerhäusigen Bereich zu bugsieren. Tatsächlich prallen alle Scheuch-Ambitionen am Gecko ab, wie sachliche Kritik am Gecko-Scheucher. Da sich in der Sache gegenwärtig wenig bewegen lässt, entscheiden sich die Wandervögel dem Gecko die Gelegenheit zu geben, sich eigenständig zu verkrümeln, lassen die Terrassentür einen Spalt breit offen stehen und verlassen das Haus mit Badeintention.

Die gelbe Flagge weht über der Meerwasserbadeanlage und für die Badevögel gibt es kein Halten. Mit Schnorchel und Flossen spaddeln sie durch die Bassins und erfreuen sich am Krachen der Atlantikwellen, die immer wieder in die Anlage sprudeln. Den Fokus unter die Oberfläche gerichtet, beobachten die Schnochelnden die aus dem Ozean hereingespülte Fauna. Dabei entgeht ihnen der meterhohe Wellenklopper, der über die Anlage hineinbricht und ihre Habe in die Becken reißt. Sie vollbringen schließlich das Kunststück, Sandalen und Handtücher aus den Fluten zu klauben und verlassen die Meerwasserbadeanstalt schließlich wie begossene Rassehunde.

Um die Loden zu trocknen knattern die Reisenden die Serpentinen hinauf. Durch Haine farblos verblühter Hortensien in Buchsbaum-begrünte Höhenpässe, durch die der Hochnebel zieht. Laut Reiseführer soll hier der Feenwald liegen, den die Nebel in eine mystische Landschaft verwandeln und der nach dem Durchwandern den Blick eröffnet auf ein kilometerweites Panorama. Leider hat die Mannschaft mit der Nebelmaschine den Zettel falsch herum gelegt: Der nebelfreie Feenwald besteht aus ein paar bestens sichtbaren knorrigen Stinklorbeerbäumen. Dafür ist von dem Panorama nichts zu sehen, weil der Talkessel komplett in Nebelsuppe absäuft. Immerhin wirken die grasenden Rinder so geringfügig mystischer, wenngleich die von ihrem Dung übersäten Hänge zum Hindernislaufen animieren.

Getrieben von der Sorge, der olle Gecko könnte noch immer durch das Appartement irren, beschließt die Reiseleitung die Rückfahrt durch einen Abstecher zu atlantischen Felsen zu verlängern. Wie badende Supersaurier trotzen die Kolosse Brandung und Zeit und vereinen kunstvoll Gecko und Schwimmbad-Katastrophe. Doch bevor Wandervogel 2 zu weiteren Billo-Metaphern ansetzen kann, steuert die Reiseleitung gegen: zum einen stünde da noch die Terrassentür offen und zum anderen bestünde dringender Burger-Bedarf. So plündern die beiden den örtlichen Tante-Emma-Laden um den Gecko schliesslich durch den Geruch verbrannter Backofen-Pommes aus der Komfortzone zu vertreiben. Sollte das nicht reichen, tun die Verdauungsgeräusche der Vollgefressenen den Rest.

Íngreme. Madeira 2020: Busfahrende Covidioten

Nach der vortäglichen Pleite hat es sich das Wetter überlegt. Der geplanten Wanderung steht nichts im Wege. Alles Geraffel ab ins Auto und hinein in die endlos steilen Serpentinen. Während sich das Wandervogelmobil bergauf quält, gehen die Einheimischen ihrem Tagesgeschäft nach. Ende September bedeutet das: Weinernte. Selbst Greise stemmen Rieseneimer auf ihre Schultern, um die von knorrigen Stöcken gepflückten Reben auf LKW zu verladen, mit denen sie ihrerseits die Serpentinen hochschnecken. Im Hochland, dass sich die Reisenden mittlerweile erfahren haben, herrscht ein gemäßigtes Klima. Kühle Nadelduft dringt durch die Spalte heruntergelassenen Scheiben und die letzten blassen Hortensien grüßen vom Wegesrand.

Doch das Idyll ist trügerisch, denn hinter jeder Haarnadelkurve lauert eine neue steile Überraschung, die von der Reiseleitung den letzen Funken fahrerischen Könnens abverlangt, während Wandervogel 2 in seiner Anspannung fast den Handgriff aus der Decke reißt. Eine besondere Überraschung auf 1000 Metern stellt eine Kuhherde dar, die sich nur sehr widerwillig von ihren missmutigen Hirten hüten lässt. Nur mit freundlichem Zureden schafft es Wandervogel 1 – Freundin alles irdischen Lebens – einen gehörnten schwarzen Koloss vom Asphalt zu diskutieren. Mit angelegter Wanderkluft warten die Wandervögel auf den Zubringer-Bus. Der lässt sich bitten und schranzt erst um die Ecke, nachdem die Reiseleitung ihn telefonisch darauf hinweist, dass zahlende Kundschaft schon ganz gerne seine Dienste in Anspruch nehmen würde.

Die Wanderung zur Levada das 25 Fontes führt auf gut ausgebauten Pfaden durch sattes Grün. Tückisch sind die zahlreichen Äste, die in Kopfhöhe quer über den Pfad hängen. Unbeabsichtigt, weil den Blick auf ihr Navigationsgerät gesenkt, macht der Schädel von Wandervogel 1 eine Vollkontakt-Erfahrung mit dem ollen Holz aus dem nach einem dumpfen Geräusch zunächst große Schmerzen und bald eine Beule resultieren. Das Abfallprodukt ‚Naturhass‘ ist dem weiteren Verlauf der Tagesaktivität wenig zuträglich. Dazu passt, dass der am Ende der Wanderung stehende Wasserfall eher ein Fällchen ist und auch die übrigen 24 als Fontänen angekündigten Wasserabgänge eher tröpfelnde Fontänchen. Immerhin ist es idyllisch, grün und es gibt Wanderwasser und -kekse.

War den Wandervögeln auf der Hintour im Pendelbus viel Raum vergönnt, müssen sie sich für den Rückweg zum Auto den Platz mit einer süddeutschen Reisegruppe teilen. Als die Reiseleitung diese freundlich aber bestimmt darauf hinweist, doch bitte in der geschlossenen Fahrgastzelle die vorgeschriebene Gesichtsbekleidung anzulegen, werden die Frotzel doch tatsächlich pampig. Aber nicht mit der Reiseleitung, denn die lässt sich nicht verulken. In nun bestimmtem Ton macht Wandervogel 1 unmissverständlich klar, dass gleich Party im Bus ist, wenn die Visagen nicht ganz fix betucht werden. Missmutige Flüche murmelnd verzieht sich das unreife Volk hinter seine Tropfenfänger, während die Reiseleitung innerlich kocht.

Um für Abkühlung zu sorgen und zudem die rundgelaufenen Füße zu laben, soll es schließlich noch einmal ins Meerwasserbad gehen. Das Krachen der Wellen verheißt nichts Gutes und tatsächlich weht die rote Fahne und signalisiert ernüchterndes Badeverbot. Betrübt über die vorenthaltene Freude zeigen sich die Wandervögel angesichts des Zustandes der Badeanstalt verständig. Zwei Worte beschreiben dessen Zustand angesichts der aufgebrachten Wellenlage treffend: Land unter. Während der Atlantik erbarmungslos gegen die Felsen kracht schwappen die Wassermassen knöchelhoch durch die Anlage. So trösten sie sich, dass sie nicht abgesoffen sind – aber was nicht ist, kann ja noch kommen.

Íngreme. Madeira 2020: Alles nach Plan

Ein Hämmern an die Scheiben der Schlafstelle lässt Wandervogel 2 aus dem Schlaf schrecken. Doch statt eines aufgebrachten Nachbarn oder eines irren Mörders, ist es nur das Wetter, das in seiner unbändigen Wucht gegen das Glas trümmert. Im gleichen Moment, in dem er den triumphalen Sieg über die Natur auskostet, wird ihm jedoch gewahr, dass die Badeklamotten den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert auf der Terrasse zum Trocknen hängen. Nur mit seinem Schlüpfer bekleidet sprintet der Adonis durch das Appartement, müllert sich fast auf dem Dielenimitatlaminat ab und hechtet hechtgleich ins Freie um Lycra und Microfaser zusammenzuklauben. Am Ende der aussichtslosen Situation siegt wie immer die Natur, seufzend entschließt sich der Durchnässte dazu, Kaffee aufzusetzen.

Es regnet sich ein. Einen der wenigen lichten Momente nutzt die Reiseleitung als Argument zum Aufbruch, schließlich soll ausgerechnet heute die schönste Wanderung der Insel bewältigt werden. So steht es auf dem Plan und der sei verdammt noch mal einzuhalten. Die Konsequenzen eines Widerspruchs abwägend, entscheidet sich Wandervogel 2 die Lektüre bei Seite zu legen und in die Wanderhosen zu schlüpfen. Aufgrund aberwitziger Wegführung zieht sich die Anfahrt ins Hochgebirge. Zum Regen gesellt sich Nebel und verschiebt die Wanderkonditionen ins Suboptimale während die Wandervögel in Territorien handgemalter Verkehrszeichen einfahren. Es hat keinen Sinn, sie kehren um.

Doch Umkehr bedeutet nicht Heimkehr, denn die Reiseleitung hat einen Plan B im Handschuhfach und steuert die Grotten von São Vicente an. Der menschenleere Parkplatz omt Schlechtes und in der zur Sehenswürdigkeit führenden Unterführung sorgt ein Zettel in Klarsichthülle für Klarheit: Grotten zu wegen Corona. Zarter Dampf steigt aus dem Kopf der Reiseleitung, die sich ob der Zertrümmerung ihrer Pläne mit einer nonchalanten Geste mit dem Handtücken den feinen Schaum vom Mund wischt. Mit einem einzigen Wort macht sie ihrer maßlosen Entrüstung Luft. „Frechheit“, entfährt es ihr. Ab ins Auto und durch haarnadelnde Serpentinen und endlose Tunnel zurück in den nebligen Regen.

Plan C sieht einen Besuch der vortags
aufgesuchten Badestelle vor. Um diese zu erreichen bedarf es eines Tankstopps, den die Reiseleitung zum Erwerb einer lokalen Spezialität nutzt: Dem Beifahrer eine Annanasbanane in Schoß werfend schwingt sie sich hinter das Steuer und kachelt los. Vor Ort wollen die beiden Plan C bis auf die Knochen auskosten. Taucherbrille? Check! Schnorchel? Check! Flossen? Check! Geld für Eintritt und Schwimmbadpommes? Check! Doch wie zum Tagesanbruch spielt der Atlantik auch zum Tagesausklang seine Stärke aus. Rote Flagge, Badestelle abgesoffen, ,bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen‘. Was die emotionale Apokalypse schließlich abwendet, ist frischer Käsekuchen mit Maracujahaube.

Íngreme. Madeira 2020: Welliger Bettenwechsel

Die Tage an der Südseite der Insel sind vorbei. Die Reiseleitung instruiert zum Sachen packen und verladen, denn die Reisegruppe soll für ein paar Tage in den Norden des Eilands ziehen – natürlich nicht, ohne auf dem Weg dahin alles mehr oder minder Sehenswürdige abzuklappern. Vor den ersten Stop, Ribeira Grande, hat irgendwer allerdings wieder zahllose steile Serpentinen gesetzt. Die Fahrerin macht ihrer Frustration lakonisch mit der Feststellung Luft, dass sie anmerkt, weder im Reiseführer noch in den zahllosen idiotischen YouTube-Videos hätte es irgendwer für notwendig gehalten zu erwähnen, dass die ganze verdammte Insel aus verdammten Serpentinen mit verdammten Steigungen bestünde.

Schon bei der Einfahrt entpuppt sich Ribeira Brava als Mogelpackung, denn der Ort ist weder schneidig noch tapfer. „Maximal eine Stunde“, seufzt die Reiseleitung, während sie die Parkuhr füttert. Der Küstenort ist derart verschlafen, dass sogar die Baumaschinen stillstehen. Die Einheimische kippen sich in den schattigen Straßencafés Kaffee hinter die Binde oder stehen sich in Souvenirläden die Beine in den Bauch. Lustlos schlurfen die Besucher durch die öden Straßen und schauen von der Promenade über schwarzen Sand und Wellenbrecher auf den Atlantik. Der Höhepunkt des Besuchs ist das Besteigen einer Aussichtsplattform über eine Wendeltreppe, wenngleich der Ausblick für die Mühen des Aufstiegs nicht entschädigen vermag.

Als könnte es nicht öder werden, belehrt der nächste Punkt auf der Reiseordnung sie eines Besseren. Schon im Anfahren sieht Ponta do Sol noch öder aus und so knattern die Knatternden kompromisslos daran vorbei. Nicht nur die Gesichter, auch die Tunnel werden immer länger, Sonnenlicht und Meerblick zur Mangelware. Am Ende eines besonders langen Exemplares, als die Sehnsucht nach sonnendurchstrahlter Atlantikluft besonders groß ist und die Weltreisenden angesichts des Lichts am Ende des Tunnels bereits erwartungsvoll ihre Scheiben herunterfahren, tischt Madeira eine kleine Überraschung auf: Sturzregen.

Auf dem nördlichen Teil der Insel ist alles anders und dennoch bleibt alles wie es ist. Anstatt sich in behäbigen Wellen über den schwarzen Sand zu ergießen, krachen die Atlantikmassen hier ungezügelt auf zerklüfteten Stein. Meterhoch schießt die Gischt in den Himmel und klatscht beim Niederfall auf die Küstenstreifen – Wandervogelmobil inklusive. Das Universum bleibt in der Waage, es gibt einen Schrecken und macht dafür eine Fahrzeugwäsche überflüssig. Statt wie mit dem Streuer in die Hänge gesprenkelter orange-roter Häuser, dominiert hier saftiges Grün. Doch auch im Norden pflegt man prä-industrielle Traditionen, wenn die Bauern ihre Kartoffeln in den Serpentinen der Straßen ernten.

Die Anfahrt zur Unterkunft in Porto Moniz führt durch Weinberge. Hoffnungslos untermotorisiert beten die Reisenden schließlich, dass Handbremse und erster Gang die Blechbüchse am Wegrollen und im-Meer- oder -Weinberg-Verschwinden hindern. Die letzten 200 Meter geht es zu Fuß mit Sack und Pack durch meterenge Mauerschluchten, die kein zurück ermöglichen. Für all die Qual entschädigt dann eine Terrasse mit Blick über Bauschrott auf die tosenden Fluten. Um dem Tag schließlich noch etwas Gewinnbringendes abzuringen, stürzen sich die Wandervögel in die örtlichen ‚piscinas naturais‘. Im Bad zwischen tödlicher Brandung und scharfkantigen Lavagestein sollen die anstrengenden Stunden von den Reisenden abfallen. Aufgrund der turbulenten See weht vor Ort jedoch die gelbe Flagge: Tagesausklang im Babybecken.