Insulanisch. Bali 2016: Kröten auf dem Meeresgrund

img_8891Noch vor dem krakeelenden Ruf des Muezzins vom Minarett der Inselmoschee weckt Brandgeruch die Wandervögel. Statt des erwarteten Bungalow-Brands stammt der stinkende Qualm vom die Hotelanlage betreuenden Personal, das den Biomüll aufgeschichtet und entzündet hat. Um nicht als Räucherware zu enden, brechen die Reisenden daher frühzeitig zum am Vortag gebuchten Schnorcheltrip auf. Wie es gute Sitte ist, beginnt die Aktivität in der Kleingruppe („Good trip. No more 15 people. Good boat. Good trip.“) dann eine halbe Stunde später als geplant mit einem Marsch in der Vormittagssonne zum Ausrüstungsbungalow der Veranstalter.

img_8888Seelenruhig wühlt das Personal dort aus einem Berg von Schwimmflossen hinsichtlich ihrer Größe zueinander passende Exemplare raus. Bis jeder der 15 Exotismus auf dem Meeresgrund Suchenden mit Schnorchel, Flossen und Brille ausgestattet ist, verrinnt eine weitere halbe Stunde Urlaubszeit, in der die Wandervögel in ihrer Überzeugung bestärkt werden, dass eine gesunde Portion deutscher Gründlichkeit und Effizienz dem Dienstleistungsgewerbe auf Gili Air gut zu Gesicht stünde. Schließlich jedoch darf sich die von den teutonischen Profiurlaubern angeführte internationale Gurkentruppe durch das Wasser watend auf den Weg zum wassernden Motorboot machen.

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Bereits nach den ersten 50 Metern kommt Unruhe in die Reisegruppe. Kapitän und Steuermann tauschen sich kurz lautstark aus, bevor der Anker geworfen wird. Um das Boot voll zu machen, sollen noch weitere fünf Urlauber an Bord kommen, die sich allerdings durch die Fluten kämpfen müssen. Eine der Neuangekommenen zerschneidet sich ihren Fuß prompt an einer Koralle, doch die indigene Hausapotheke weiß Rat: Der Kapitän benetzt den verwundeten Treter kurzerhand in Diesel und nach kurzem Aufschrei ist die Blutung gestoppt. Es kann losgehen. Die Wandervögel legen ihre Ausrüstung an und lassen sich in die Unterwasserwelt plumpsen.

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Neptuns Reich ist bevölkert von Korallen und darin lebenden Fischen in allen Farben. Todesmutig schnorchelt sich Wandervogel 2 zum Meeresgrund hinab, um das Abendessen mit bloßen Händen zu fangen, während Wandervogel 1 sich mit Schwimmweste auf der Oberfläche treiben lässt und mit der Unterwasserkamera Schnappschüsse für das Urlaubsalbum einfangen möchte. Beide Unternehmungen sind schließlich lediglich von leidlichem Erfolg gekrönt: Während Wandervogel 2 nur Algensalat einfährt, ist auf den Fotos von Wandervogel 1 überwiegend unbelebtes Meer zu sehen. Die passierende Riesenschildkröte bevorzugt Abstand, um weder im Bild noch in den Klauen der Wasservögel zu enden.

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Die Mittagspause findet auf Gili Meno statt, Eiland geplatzter Tourismus-Träume mit verfallenen Strohhütten und bröckelnden Pools, die mittlerweile der Algenzucht dienen. Die örtliche Gastronomie gibt sich all zu humanitär und brüstet sich damit Schildkröten aufzuziehen; zum Beweis werden dutzende unglücklich strampelnde Panzertiere in einem Planschbecken zur Schau gestellt. Das gastronomische Angebot zeigt, dass die Skala nach unten hin offen ist. Für den Mini-Insel-Aufschlag gibt es geschmacklose Nudeln und Gemüse-gefüllte Weißbrotecken aus dem Sandwich-Toaster. Wer selbst für Gili Air zu schlecht kocht, der geht eben nach Gili Meno.

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Bevor sich die Schnorchelcrew auf den Heimweg machen kann, überlegt es sich der Kreislauf einer mitreisenden Holländerin anders. Überwältigt von den Eindrücken des Tages – oder womöglich vom geschmacklichen Erlebnis – rutscht sie von ihrem Stuhl und macht sich im Sand lang. Doch ein nasses Handtuch und ein paar Schluck kaltes Wasser reichen für die Reanimation aus, sodass die Gute, gestützt von ihren Bundesgenossen zurück an Bord getragen werden kann. Erneut werden die Wandervögel in ihrem Eindruck bestärkt, dass sie auf ihren Reisen Terror und Zerstörung mit sich bringen. Ein hartes Los, aber jemand muss es ja ziehen.

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