Inkaotisch. Peru 2016: Anreise zum Abgewöhnen

01-aufmacherDen Wandervögeln juckt wieder einmal das Gefieder. Der Wind der großen weiten Welt soll die Alltagsmilben aus den Federn blasen. Der Kurs geht diesmal in eine andere Richtung. Peru soll es sein. Einerseits um herauszufinden, ob auch der Rest den südlichen Amerikas so enttäuschend ist wie Costa Rica. Andererseits… weil, warum eben nicht? Den Auszug aus dem Alltag nehmen die Wandervögel wie üblich mit dem Kielius-Flughafenbus vor. Eine immense Geduldsprobe, denn auch die Unterschicht reist mit. Drei Sitzreihen vor den Wandervögeln hat es sich das Hartz-4-Quartett bequem gemacht und repräsentiert das Prekariat. Nachdem der Frühverrentete berichtet, dass er „die Alte das nächste Mal aus dem Fenster schmeisst“ kommentiert der hyperaktive neben ihm sitzende Albaner, dass man ja ohnehin nicht wisse „wer da alles schon sein Ding drin gehabt habe“. Der Pole hört sich das schweigend an und spült den Wortmüll mit einem Flachmann runter, aus dem er um 11 Uhr Klaren nippt. Sein Sitznachbar mit den ungeschickt rasierten Augenbrauen ermittelt im Jersey-Jogging-Anzug verspielt die richtige Position, um die Zigarette via Ohr am Schädel zu befestigen. Wie erwartet hat der Spuk in Neumünster sein Ende, wo sonst sollten diese Kreaturen hausen?

img_9169Das gesamte Mitleid der Wandervögel auf dem Hamburger Flughafen gilt einem untersetzten, schwitzenden, älteren Herrn mit schütterem Haar, der sich der Herkules-Aufgabe gegenübersieht, ein Dutzend pubertärer Blagen nach Madrid überführen zu müssen. Sein Sack Flöhe enthält das gesamte Spektrum jugendlicher Lächerlichkeit – vom verpickelten Computer-Freak bis hin zum Möchtegern-Model mit um den Hals geschlungenen Burberry-Imitat aus reiner Baumwolle. Wie gut, dass die Wandervögel schon gutaussehend und abgebrüht auf die Welt gekommen sind, wie echte Zehn-Minuten-Eier. Zu den anderen Airport-Absurditäten zählen ein anatolischer Handlungsreisender, dessen Reisekoffer mit Glitzi-Schwämmen vollgestopft ist, sowie zierliche Koreanerinnen, die am Vorabend alles Gemüse, deren sie habhaft werden konnten, kochten und es nun begierig verschlingen. Im Minutentakt verschwinden Maiskolben und Süßkartoffeln in ihren emsig kauenden Mündern. Den Vogel schießt schließlich der bärtige Assistent eines Mullahs ab, dessen Handgepäck dem Sicherheitspersonal verdächtig erscheint. (Wie übrigens auch der Rucksack von Wandervogel 2, denn wer erkennt auf dem Röntgenschirm schon eine Tastatur für das iPad? Könnte ja auch ein mit Sprengstoff gefüllter Adventskalender sein!) Der Mullah-Scherge muss sich indes rechtfertigen, warum er 4 (in Worten: vier) Steakmesser in seinem Reisekoffer mit sich führt. Er versteht die Aufregung nicht. Ein Messer sei halt praktisch und wenn mal eins kaputt ginge, dann hätte man gleich Ersatz. Das sei doch logisch. Und so sehen die Wandervögel das sonst so schikanöse Sicherheitspersonal ausnahmsweise mit anderen Augen.

01-abflugDie große Prüfung für Wandervogel 2 hat der Liebe Gott sich für den Flieger nach Madrid aufgespart. Die neben ihm Platz nehmende ältere Dame ist sehr kommunikativ. Ob der Wandervogel auch nach Gran Canaria flöge? Ach Peru! Ja, da soll es auch schön sein, mit den Anden und den Lamas. Ach herrlich, da könne man ja nur einen schönen Urlaub wünschen. Gran Canaria sei aber auch schön. Da könne man sich ja selbst nur beglückwünschen und einen schönen Urlaub wünschen. Aber, dass es keine Fernseher in der Maschine gäbe, das sei schon schade. Bei Condor gäbe es Fernseher. Dann wäre auch der Flug nicht so lang. Einer der Söhne sei ja bei Airbus. Ingenieur. Also alle beide Ingenieure. 51 Jahre sei man jetzt schon verheiratet. Muss man sich mal vorstellen. Wie die Zeit vergeht. Aber man könne ja froh sein. Froh und dankbar. Denn das mit dem Gehirnschlag, das hätte auch anders ausgehen können. Wie bei Cicero. Ach, eine Schande. Der war noch so jung. Und er hat immer so schön gesungen. Erst seien es ja immer nur Kopfschmerzen gewesen, aber dann sei ja der Fleck auf dem Gehirn festgestellt worden. Also in der Röhre. Und dann: Im Koma. Den Kopf habe man ihr aufgeschnitten. Hier und dort. Aber die Narbe sei gut verheilt. Das müsse man sich mal vorstellen. Aber es habe alles gut geklappt. Man könne nur dankbar sein. Und jetzt fliegt man Gran Canaria. Ob das wirklich alles so gut geklappt hat, bezweifelt der Wandervogel. Aber es waren ja nur drei Stunden bis Madrid.

3 Gedanken zu „Inkaotisch. Peru 2016: Anreise zum Abgewöhnen

  1. Ey! Die guten Leute wollten in NMS garantiert nur mal schön Outlet-shoppen. Halt die üblichen Krawall-Kieler, die wir hier im lohnenden Ziel zwischen Hamburg und Kiel erdulden müssen!
    ari

  2. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, was dann auf dem Anschlussflug von Madrid passiert ist, dass die Wandervögel seither sprachlos sind…..

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