Hi-Ha-Hummus. Israel 2017: Es pustet im Bauhaus

Statt von sengender Sonne und lauer Brise werden die Wandervögel am ersten Morgen in der Fremde von einer alten Bekannten begrüßt: wolkiger Westküsten-Pustigkeit. Der Blick aus dem Bett über die vielbefahrene Straße auf das Meer weiß nicht die Enttäuschung aufzuwiegen, dass statt wie geplant Rock und Shorts nun Nietenhosen und Windbreaker auf der Kleidungsagenda stehen. Nur die Abgebrühtesten trauen sich bei diesem Wetter mit den Surfbrettern in die ihrem Namen alle Ehre machende Brandung – und wenn die Wandervögel auch nicht normal sind, so bekloppt, sich angesichts dieser Rahmenbedingungen dem Wassersport zu widmen, sind sie dann doch nicht.

Gewaschen und gekämmt machen sich die Wandervögel auf Erkundungstour und Nahrungssuche. Der Weg führt zu einem Markt, dessen Angebotspalette von Backwaren über Gewürze bis hin zu frischen Speisen reicht. Dazwischen die komplette Bandbreite chinesischer Billigartikel. Als Stärkung der Wahl haben die Reisenden das laut Herstellerangaben „best Kebab in Tel Aviv“ auserkoren. Von den drei servierten Frikadellen mit Gemüsebeilage sollen die Reisenden schließlich den ganzen Tag etwas haben: wie Wackersteine liegt das Fleisch im Magen. Besonders hart trifft es Wandervogel 1, die den Tag aufstoßend verbringt. *burps*

Zerstärkt machen sich die Wandervögel auf in das Innere der Stadt, deren Architektur Weltruhm genießt. Einerseits verständlich, wenn sich so viel Bauhaus-Architektur auf engem Raum versammelt. Andererseits völlig unverständlich, denn kaum etwas ist so langweilig anzusehen wie Bauhaus-Architektur. So schlendern die beiden entlang des Rothschild Boulevard vorbei an Cafés mit überteuerten Heißgetränken und Backwaren, genießen im Rahmen der Möglichkeiten ihrer Ignoranz die modulare Architektur und versuchen sich dabei nicht von den E-Bike-Rasern über den Haufen fahren zu lassen.

Abseits der Flaniermeilen macht Tel Aviv bei Windstärken in der Nebensaison einen abgeranzten Eindruck. Womöglich ist es der Fluch von Alicante, der auf so vielen Küstenstädten lastet. Gleichgültige Raucher und im Müll wühlende streunende Katzen zwischen Häuserfronten, denen schon mit einer Kelle Beton und einem Eimer Farbe viel geholfen wäre. Aber warum kümmern, wenn man täglich zehn Sonnenstunden am Strand abhängen und zwischendurch Touristen die Schekel mit hanebüchenen Preisen aus der Tasche ziehen kann. „How much is that Keks, please?“ „That Keks? That Keks is twelve Schekel!“ „Twelve Schekel? That’s three Euros? It‘s just a normal Keks!“ Die Wandervögel verlassen den Backwarenladen.

Der Fußmarsch führt in den hutzeligen Teil von Tel Aviv, der schon eher den gehobenen Urlaubs-Ansprüchen entspricht. Altstadtgassen mit inhabergeführten Geschäften, die Nippes und Spülmaschinen verkaufen. Noch ein wenig hutzeliger an der Grenze zum tatsächlich Schönen wird die Umgebung dann im mittelalterlichen Jaffa, wo man schon mit gusseisernen Kanonen auf Schiffe schoss, als an Tel Aviv noch nicht zu denken war. Doch es wäre keine Wandervogel-Tour, wenn nicht im Moment der Gegenwart des Schönen ratzfatz die Sonne unterginge. Irgendwas ist ja immer und wenn es nur kurze Tage sind.

Hi-Ha-Hummus. Israel 2017: Touchdown in Tel Aviv

Die Wandervögel sahen sich mit einem Resturlaubs-Problem konfrontiert. 14 Tage im November. Zu viel, um sich den Hintern auf dem heimischen Sofa breit zu sitzen, zu wenig für die nächsten Wunschkandidaten Brasilien, Uganda und Ruanda. Was tun? Auf der Suche nach einem moderat weit entfernten Land von überschaubarer Größe, mit annehmbaren Temperaturen entschied sich die zweiköpfige Findungskommission für Israel, das Marokko knapp den Rang ablief. Die Checklisten abgearbeitet, die Rucksäcke vollgestopft, das Taxi bestellt und ab dafür.

Der wesentliche Vorteil des Bereisens einer vergleichsweise naheliegenden Destination ist die vergleichsweise kurze Anreise; der wesentliche Nachteil liegt in der Anekdotenlosigkeit selbiger. Bemerkenswert ist allenfalls die Unstrukturiertheit des bei der Zwischenlandung aufzusuchenden Istanbuler Flughafens. „Hallo! Einmal das Gepäck durchwühlen lassen. Wir müssen prüfen, ob Sie im Flugzeug aus Plastikbesteck und Servietten eine Bombe gebaut haben. Weitergehen. Hallo, Sie da! Hier entlang. Ab in den Schlachtviehtransport auf das Rollfeld. Aussteigen! So, nun bei Windstärke 8 und Starkregen einsteigen.“ Immerhin Wandervogel 1 sah dank vorsorglicher 3-Wetter-Taft-Behandlung im Anschluss blendend aus. Wandervogel 2 eher so begossener-Pudel-Style.

Gestählt von Einreise nach China ist der Immigrationsprozess in Tel Aviv lachhaft. Nur eine knappe Dreiviertelstunde stehen sich die Wandervögel die Beine in den Bauch, um auf knallharte Fragen, wie die nach dem Grund der Einreise oder Bekannten, gelangweilt zu antworten. Statt eines Stempels in die Reisepapiere gibt es eine personalisierte Einsteckkarte – aber nicht verlieren, bitte. Nur ohne „bitte“, denn Freundlichkeit ist ein K.O.-Kriterium beim Zöllner-Bewerbungsgespräch, wo nur die Maulfaulen, gelangweilt Dreinschauende oder Lethargische in die Endrunde kommen. Aber immerhin kann man so nach der Ausreise leugnen, das Land je besucht zu haben.

Die Freude über die ersten Schekel – was für ein Name für eine Währung – währt kurz. Der Automat spuckt nur große Schekel-Scheine aus. Allerdings soll die kosmische Balance bald wieder hergestellt sein, denn alles in Israel wird sich als teuer herausstellen. Nix mit Hummer am Strand. Die Fahrt mit dem umgebauten Minibus zur Herberge führt durch die spärlich erleuchteten Straßen der zweitgrößten Stadt des Landes. Für Erheiterung bei den Wandervögeln sorgt das Wechselgeld-System im öffentlichen Nahverkehr: Nach dem Platznehmen gibt man einen Schekel-Schein reihum bis zum Fahrer nach vorn, auf der anderen Seite geht das Rückgeld des Fahrers von Hand zu Hand retour. Ob der sozialen Kontrolle kommt alles an, schließlich auch die Wandervögel.