Chop Chop. China 2017: Wanzen auf der Mauer

fullsizerender-14
Noch bevor der Hahn die Möglichkeit erhält, mit seinem morgendlichen Schrei für Unbill zu sorgen, sind die Wandervögel bereit für das nächste Abenteuer: Sie wollen auf der Chinesischen Mauer nach dem Rechten sehen. Der Ausflug war als entspannte Individualreise geplant, doch natürlich kommt es anders. Statt wie in Aussicht gestellt zu viert mit dem Taxi zur Sehenswürdigkeit zu brausen, geht es im Kleinbus durch die vom Berufsverkehr verstopften Straßen Pekings. Knapp eine Stunde lang gurkt der Fahrer durch die Gassen, bis alle Reiselustigen beisammen sind.

Die Gurkentruppe wird anschließend am Straßenrand ausgeladen und in einen Reisebus umgetopft. Anschließend geht es mit Standgas wieder in den Berufsverkehr der Metropole, inmitten einer Blase von amüsiersüchtigen Brasilianern, nach Reisetipps gierenden Belgiern und den unvermeidlichen Amerikanern, die durch zahllose unnötige Einschübe von „like“ ihre Sätze schänden und sowie alles „awesome“, „beautiful“ und mittlerweile sogar „totally amazing“ finden. Meter für Meter quält sich die mobile Strafkolonie durch das stinkende, hupende Blech.

fullsizerender-2-6
Auf der Autobahn angekommen, dreht die Reiseleitung auf. Zu allererst ihr Mikro, durch das sie zahllose und ausschweifende Hinweise zum Tagesablauf von sich gibt. Erst auf Chinesisch, dann noch mal auf Chinesisch aber mit englischem Akzent. Wandervogel 2 wundert sich derweil darüber, dass wohl alle Chinesen auch einen englischen Namen haben. So erklärt die Reiseleitung, sie hieße gleichermassen etwas Unverständliches, dass „kleines Stück Jade“ bedeutet und „Nancy“. Passt beides zu ihr, aber wer denkt sich diese Übersetzungen aus und wie sind wohl die chinesischen Namen der Wandervögel?

fullsizerender-4-4
An der Mauer geht es dann ans Eingemachte. Nancy hätte gerne noch mal Knitten für den Shuttlebus – dennoch ein Super-Angebot mit Gruppenrabatt, wie sie versichert – und auch die optionale Fahrt zur Mauer mit der Gondel lassen sich die Chinesen stattlich bezahlen. „Und wenn wir einfach hochgehen, und uns die Fahrt mit der Gondel sparen, Nancy?“ „Dann habt ihl zu wenig Zeit und müsst oben gleich wiedel umdlehen“, erklärt die Halbedelsteinin auf interessierte Nachfrage. Die Wandervögel knallen die Yens auf den Tresen und sehen zu, dass sie Land gewinnen, um sich so weit wie möglich von der Gruppe des Grauens abzusondern. Alsdann verstauen sie die schreiend gelben Gruppenausweise in den Rücksäcken, in der Hoffnung so als Individualtouristen zu erscheinen.

fullsizerender-3-6
Der Spaziergang auf der Mauer ist schließlich ein zunächst durchaus erbauliches und erhabenes Erlebnis. Allerdings ist das Bauwerk dann doch recht lang und die Bauherren hatten wohl weder Feldstecher noch Füllkies zur Verfügung, so dass die Wanderung zu einem gewundenen Gewaltmarsch mit tausenden Stufen in der sengenden Sonne verkommt. Mit einer gesunden Mischung von Ignoranz und Todesverachtung klettern die Wandervögel schließlich über eine Absperrung an Bollwerk 20 hinweg, um die höher liegenden Bereiche des Bauwerks zu erkunden und werden für ihren Leichtsinn tatsächlich mit einem Mehr an Ruhe und respektabler Aussicht belohnt.

fullsizerender-11
Zurück in Peking steht Abendunterhaltung auf dem Programm. Eine Kung-Fu-Show soll als Zerstreuung der Wahl herhalten. Die schwülstige, dünne Geschichte hält die Vögel weniger bei Laune als zahlreiche Demonstrationen der gestählten Glatzköpfigen. Hier wird auf Speeren balanciert, dort Stöcke und Schindeln auf dem Kopf zerkloppt. Immer wieder jedoch treten ein dickes Kind und ein alter Mann mit angeklebtem Bart auf die Bühne, um zu den eingespielten englischen Worten des Erzählers roboterhaft den Mund zu bewegen. „Mehr Vollkontakt und weniger Vollplayback“, hinterlassen die Wandervögel den Veranstaltern als gut gemeinte Empfehlung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert