Um 8 Uhr stehen die Wandervögel erwartungsvoll am Strand. Der Skipper hält die Hand auf, die Wandervögel drücken die Knitten ab und los geht das Angelabenteuer auf halbhoher See. Im seichten Auf und Ab des karibischen Wellenspiels dreht Kapitän José vor der Küste von Isla Mujeres seine Kreise, während die stumme Assistentin Claudia die Köder einhängt und die Leinen auswirft. Mit zusammengekniffenen Augen sondieren die Wandervögel das Wasser. Sie blicken in den Himmel und tun dabei so, als könnten sie die kryptischen Zeichen deuten, mit denen Mutter Natur bedeutet: „Hier reinwerfen und an der Kurbel drehen, um den Power-Fisch herauszuziehen.“ Die Wandervögel wissen, nichts ist so wichtig wie professionelles Auftreten; an Land und mehr noch auf dem Wasser. Niemand soll ahnen, dass sie keine Ahnung von Angeln haben. Weiter starren sie professionell in die Fluten.
Aus dem Augenwinkel nimmt Wandervogel 2 ein leichtes Zucken an der Spitze seiner Rute wahr. (*Kicher*) Schnell, aber ohne Hast, umrundet er das Steuerhaus, und greift sich das Werkzeug. Tatsächlich spürt er, wie der aquatische Herausforderer den Aufschlag macht. Ein Zucken, der zweite Biss in den Köder. Durch Drehungen seines Handgelenks animiert Fischervogel 2 seinen Kontrahenten zum Nachlegen. Zucken. Der dritte Biss! Am Haken. Holen, kurbeln, Leine lassen. Als habe er seinen Lebtag nichts anderes gemacht, ringt der Wandervogel seinen Gegner Meter um Meter ab, um ihn schließlich an Bord zu ziehen. Knüppel aus dem Sack. Knüppel auf den Kopf. Das hat der Barrakuda von seinem Übermut. Aber an Bord ist keine Zeit für Atempause, denn auch an der Rute von Wandervogel 1 zuckt es. Mit elfengleicher Grazie hakt sie sich das Schoßbrett um und packt die Angel. Innerlich verbissen aber mit stets anmutigem Gesichtsausdruck kurbelt sie sich ein ganzes Wolfsrudel bis die Rolle glüht und sie schließlich einen Blue Marlin auf das Deck zieht. Wandervögel 2, Meer 0. Läuft.
Dann legt sich eine Ruhe über das Meer. Die Sonne brennt. José trinkt eine eiskalte Cola. Claudia schweigt. Die Wandervögel wiegen ihre Ruten in den Händen und peilen aus zusammengekniffenen Augen über die endlose Weite. Sie spüren, dass es eine unheilvolle Ruhe ist. Die Ruhe vor dem großem Kampf – und der Herausforderer meldet sich plötzlich und unüberhörbar. Mit unbändiger Kraft reißt es aus die Tiefe an der Rute von Wandervogel 2, der seinem Gegner zunächst Leine lässt. Der Beginn eines Schauspiels von ungekannten Ausmaßen. Selbst Claudia entfährt ein spitzer Schrei der Verzückung, angesichts der herkulischen Kurbelei des Wandervogels. Seine Lippen sind zu einer schmalen Linie gepresst, die Augen zu Schlitzen verengt, aus denen der unerbitterliche Wille blitzt zu zeigen, wer hier Chef ist. Seine muskulösen Arme spannen sich, Schweißtropfen perlen von seiner Stirn, doch der Wandervogel hat keine Zeit für die Signale seines Körpers, der ihm um eine Pause anfleht. So geht es über Minuten bis José und Claudia mit dem Enterhaken an die Reling springen, um die Beute an Bord zu hieven. Ein kapitaler Fang. Heute muss keiner Hungern. Wandervogel 2 hat das Dorf gerettet.
Die Wandervögel wollen sich für die Anstrengungen mit einer kleinen Schnorchelei belohnen. Auf die gleiche Idee kommen in diesem Moment auch die örtlichen Anbieter von Schnorcheltouren, die unter Lautsprecherbeschallung Herden von 50 Touristen auf Katamaranen in das Riff schiffen, um sie anschließend, wie die Hühner auf der Stange, an einem Tau durch die Unterwasserwelt zu lotsen. Man wartet daher bis die Plage vorbeigezogen ist und geht das Projekt in der gebotenem Ruhe an. Unter der Wasseroberfläche ist die stumme Claudia ganz in ihrem Element, holt den Wandervögeln vom Meeresgrund allerlei Muscheliges vor die Linse und ist mit den Fischen so vertraut, dass sie die Wandervögel im Schwarm mitschwimmen lassen. Womöglich hat auch der Umstand, dass José tütenweise Nachos ins Wasser wirft einen Anteil an der plötzlichen Schwarmbildung und Zutraulichkeit der Sxhwärmenden. Zurück an Land zeigt sich José für die Rettung des Dorfes erkenntlich und bereitet aus dem Barrakuda mit Limetten, Cebolla, Tomaten und Koriander ein Cevice. Die Wandervögel danken es ihm mit leergegessenen Tellern. So geht Urlaub.