Mex to the max. Mexiko 2017: All over now


Leider haben Aeroméxico und Air France nicht (wie versprochen) das Gepäck der Wandervögel von Cancún über Mexiko City und Paris nach Hamburg befördert, sondern irgendwo anders hin verfrachtet. Wer also die Schmutzwäsche und Souvenirs findet, gerne bei den Wandervögeln abgeben. Und wie es gute Sitte ist… alle Kapitel des Reisetagebuchs in chronologischer Reihenfolge:

Mex to the max. Mexiko 2017: Take off mit Schenkenberg Airways
Mex to the max. Mexico 2017: Playa del Tourismo
Mex to the max. Mexiko 2017: Unter Piranhas
Mex to the Max. Mexiko 2017: Pyramidale Kalender unter Geiern
Mex to the Max. Mexiko 2017: Verschwendete Jugend
Mex to the Max. Mexiko 2017: Festival de Flamingo
Mex to the Max. Mexiko 2017: Frida Penisrassel dreht auf
Mex to the Max. Mexiko 2017: Gestrandete Ruinen
Mex to the Max. Mexiko 2017: Hänsel und Josef
Mex to the Max. Mexiko 2017: Krebsfleisch auf Knäcke
Mex to the Max. Mexiko 2017: Fisch in Alufolie
Mex to the Max. Mexiko 2017: Von Insel zu Insel
Mex to the Max. Mexiko 2017: Von Ruten und Rollen

Mex to the Max. Mexiko 2017: Von Ruten und Rollen

Um 8 Uhr stehen die Wandervögel erwartungsvoll am Strand. Der Skipper hält die Hand auf, die Wandervögel drücken die Knitten ab und los geht das Angelabenteuer auf halbhoher See. Im seichten Auf und Ab des karibischen Wellenspiels dreht Kapitän José vor der Küste von Isla Mujeres seine Kreise, während die stumme Assistentin Claudia die Köder einhängt und die Leinen auswirft. Mit zusammengekniffenen Augen sondieren die Wandervögel das Wasser. Sie blicken in den Himmel und tun dabei so, als könnten sie die kryptischen Zeichen deuten, mit denen Mutter Natur bedeutet: „Hier reinwerfen und an der Kurbel drehen, um den Power-Fisch herauszuziehen.“ Die Wandervögel wissen, nichts ist so wichtig wie professionelles Auftreten; an Land und mehr noch auf dem Wasser. Niemand soll ahnen, dass sie keine Ahnung von Angeln haben. Weiter starren sie professionell in die Fluten.


Aus dem Augenwinkel nimmt Wandervogel 2 ein leichtes Zucken an der Spitze seiner Rute wahr. (*Kicher*) Schnell, aber ohne Hast, umrundet er das Steuerhaus, und greift sich das Werkzeug. Tatsächlich spürt er, wie der aquatische Herausforderer den Aufschlag macht. Ein Zucken, der zweite Biss in den Köder. Durch Drehungen seines Handgelenks animiert Fischervogel 2 seinen Kontrahenten zum Nachlegen. Zucken. Der dritte Biss! Am Haken. Holen, kurbeln, Leine lassen. Als habe er seinen Lebtag nichts anderes gemacht, ringt der Wandervogel seinen Gegner Meter um Meter ab, um ihn schließlich an Bord zu ziehen. Knüppel aus dem Sack. Knüppel auf den Kopf. Das hat der Barrakuda von seinem Übermut. Aber an Bord ist keine Zeit für Atempause, denn auch an der Rute von Wandervogel 1 zuckt es. Mit elfengleicher Grazie hakt sie sich das Schoßbrett um und packt die Angel. Innerlich verbissen aber mit stets anmutigem Gesichtsausdruck kurbelt sie sich ein ganzes Wolfsrudel bis die Rolle glüht und sie schließlich einen Blue Marlin auf das Deck zieht. Wandervögel 2, Meer 0. Läuft.


Dann legt sich eine Ruhe über das Meer. Die Sonne brennt. José trinkt eine eiskalte Cola. Claudia schweigt. Die Wandervögel wiegen ihre Ruten in den Händen und peilen aus zusammengekniffenen Augen über die endlose Weite. Sie spüren, dass es eine unheilvolle Ruhe ist. Die Ruhe vor dem großem Kampf – und der Herausforderer meldet sich plötzlich und unüberhörbar. Mit unbändiger Kraft reißt es aus die Tiefe an der Rute von Wandervogel 2, der seinem Gegner zunächst Leine lässt. Der Beginn eines Schauspiels von ungekannten Ausmaßen. Selbst Claudia entfährt ein spitzer Schrei der Verzückung, angesichts der herkulischen Kurbelei des Wandervogels. Seine Lippen sind zu einer schmalen Linie gepresst, die Augen zu Schlitzen verengt, aus denen der unerbitterliche Wille blitzt zu zeigen, wer hier Chef ist. Seine muskulösen Arme spannen sich, Schweißtropfen perlen von seiner Stirn, doch der Wandervogel hat keine Zeit für die Signale seines Körpers, der ihm um eine Pause anfleht. So geht es über Minuten bis José und Claudia mit dem Enterhaken an die Reling springen, um die Beute an Bord zu hieven. Ein kapitaler Fang. Heute muss keiner Hungern. Wandervogel 2 hat das Dorf gerettet.


Die Wandervögel wollen sich für die Anstrengungen mit einer kleinen Schnorchelei belohnen. Auf die gleiche Idee kommen in diesem Moment auch die örtlichen Anbieter von Schnorcheltouren, die unter Lautsprecherbeschallung Herden von 50 Touristen auf Katamaranen in das Riff schiffen, um sie anschließend, wie die Hühner auf der Stange, an einem Tau durch die Unterwasserwelt zu lotsen. Man wartet daher bis die Plage vorbeigezogen ist und geht das Projekt in der gebotenem Ruhe an. Unter der Wasseroberfläche ist die stumme Claudia ganz in ihrem Element, holt den Wandervögeln vom Meeresgrund allerlei Muscheliges vor die Linse und ist mit den Fischen so vertraut, dass sie die Wandervögel im Schwarm mitschwimmen lassen. Womöglich hat auch der Umstand, dass José tütenweise Nachos ins Wasser wirft einen Anteil an der plötzlichen Schwarmbildung und Zutraulichkeit der Sxhwärmenden. Zurück an Land zeigt sich José für die Rettung des Dorfes erkenntlich und bereitet aus dem Barrakuda mit Limetten, Cebolla, Tomaten und Koriander ein Cevice. Die Wandervögel danken es ihm mit leergegessenen Tellern. So geht Urlaub.

Mex to the Max. Mexiko 2017: Von Insel zu Insel


Nach Schnorcheln und Rollerfahren ist Cozumel durchgespielt. Zudem ist die Herberge mittlerweile zu einem Panoptikum der Monstrositäten verkommen. Bevor die Wirtin sich entschließt, die Wandervögel für immer bei sich zu behalten und deren Köpfe schließlich womöglich debil grinsend und Staub fangend an einer Trophäenwand enden, ergreifen sie die Flucht nach vorn. Ab auf die Fähre nach Playa del Carmen, rein in den Ado-Bus nach Cancún, mit dem Taxi – eingeklemmt zwischen maisgenährten Einheimischen – zum Fährterminal und ab mit der zweiten Fähre auf die Isla Mujeres, das karibische Juwel, über das (insbesondere die Strände im Hinblick auf Möglichkeiten des braun-Werdens) die pfälzische Quasselstrippe Tags zuvor Kübelweise Lob ausschüttete (hier: „bombastisch“).
Die Suche nach einer Unterkunft stellt sich – wie sollte es anders sein – als Fiasko heraus. Auf dem Programm stehen neben „alles belegt“ noch „günstige Schimmelhölle“ und „überteuertes Zwergenhaus“. Die Spritzbeton-Hotelanlage mit privatem Strandabschnitt, Frühstücksbuffet und Animation am Pool verbietet sich einerseits aus Kostengründen, mehr aber, um die geistige Gesundheit zu schonen, denn der in Golfwagen mit Dieselmotor ein- und ausfahrende All-Inklusive-White-Trash ist nicht, was sich das höhere Wesen eigentlich bei seiner Schöpfung gedacht hatte. Vermutlich. Steckt man ja nicht drin.


Während Wandervogel 2 an einer Straßenecke das Basislager mit Marschgepäck aufschlägt, schickt sich Wandervogel 1 an das tägliche Bewegungsziel von 10.000 Schritten vollzumachen. Nach knapp anderthalb Stunden ist die Wahl auf ein überteuertes Zwergenhaus gefallen. Zu allem Überfluss entpuppt sich der Inhaber Marco de Mongo (Typ: Habe den Laden geerbt, verbringe meine Zeit aber eigentlich eher in Internet-Foren zu japanischen Horrorfilmen) hat einen Kasper gefrühstückt. Die Wandervögel durchleiden von einer Partei sicher als pointiert empfundenen völlig unangebrachten und sich endlos hinziehenden Smalltalk. Irgendwie geht alles ohne Blutvergießen zu ende und die Reisenden können ihre Fünfquadratmeter-Butze hinter sich verschließen.


Aber es kommt noch dicker. Hauptsächlich sind die Wandervögel auf das Eiland gereist, um einen lustigen Tag mit Walhaien zu verbringen. So machen sich die beiden auf einen Gewaltmarsch zum von diesem Internet empfohlenen Veranstalter. Angekommen stellt sich das erwartete vollklimatisierte Büro als wandlose Pagode am Strand heraus, in der sonnengegerbte Fischer Fische auf Angelhaken spießen. „Nein, nein. Alles correcto!“ versichert der Fischermann. Man sei der beste Laden und seit einem Vierteljahrhundert im Walhai-Tourismus aktiv. Und auch die Saison habe schon begonnen. Allerdings kämen die sesselfurzenden Schnarchnasen aus dem Umweltamt nicht in die Hufe, die alljährlich zu beantragende „Bescheinigung zur Beförderung von Touristen in Gewässern mit Walhaien“ (Formulario 17b/1) auszustellen. Das kann noch dauern. Plötzlich ist überall Deutschland. Dann eben Küstenfischen.

Mex to the Max. Mexiko 2017: Fisch in Alufolie


Als bewährtes Mittel gegen Verbrennung gilt bei den Wandervögeln Abkühlung. Nach einer durchschwitzen Nacht in der unklimatisierten Herberge der Übermutter machen sich die Urlauber daher frühmorgentlich knatternd auf den Weg in die Marina. Im besten Wandervogel-Style fahren sie zunächst die falsche Anlegestelle an, bemerken ihren Fehler aber noch rechtzeitig, bevor sie den Rest ihres Lebens in Zwangsarbeit krabbenpulend auf einem Kutter verleben. Galant springen sie im richtigen Hafen an Bord eines Bootes, das eine Gurkentruppe in die Karibik trägt. Sobald das Land außer Sicht ist, zwängen sich die Passagiere in frisch gespülte Masken, legen die Flossen an und hüpfen, auf die Schnorchel beißend, ins Meer.


Auf dem Meeresboden warten Seesterne regungslos auf Nahrung oder Fressfeinde. Damit nicht jedes Gurkentruppenmitglied mit dem Finger hineinpiekt, hat die Crew ein Seestern-Imitat aus Kunstharz dabei. Der mitschwimmende Kameramann schießt allerlei kitschige Unterwasserfotos, die zum späteren Zeitpunkt für hanebüchene Preise angeboten werden. Doch bis es so weit ist flippern die beiden Wasservögel durch die karibischen Fluten und gehen mit den Meeresbewohnern auf Tuchfühlung. Zurück an Bord schaltet das Personal umgehend in den Trinkgeld-Modus: Corona für alle! Wer verkommen genug ist, der darf sich auch vor 12 Uhr Mittags vom Personal den Mund mit eiskaltem Tequila volllaufen lassen. Da Wandervogel 2 jegliches menschliche Schamgefühl fremd ist, lässt er sich hingebungsvoll auf die Offerte ein. Nur die Einhalt gebietenden Worte von Wandervogel 1 sorgen dafür, dass nicht eine Viertelflasche Hartsprit in der vergoldeten Mundhöhle ihres schamlosen Begleiters verschwindet. Mexikanische Meeresbiologie ist die beste Biologie.


Zur Siesta in der Pension Übermutter hat indes Bettenwechsel stattgefunden. Leider sind die ignoranten, dauerkiffenden und Europop-süchtigen Israelis nicht ausgezogen. Statt mehr Freiraum wird es eng und eine neue Bewohnerin komplettiert den Reigen: Eine dampfplaudernde Pfälzerin, die alles „bombastisch“ findet und umgehend versucht den Wandervögeln die jüngsten Kapitel ihrer Lebensgeschichte unterzujubeln. Noch zwei Monate sei sie unterwegs auf ihrer Jahresreise durch Mittelamerika und dann wolle sie ja noch den süßen Kolumbianer treffen, aber das sei eine ganz lange Geschichte. Sie müsse auch noch abnehmen, denn sie habe ja so viel zugenommen. Aber jetzt ginge es ihr erstmal darum, so richtig braun zu werden. Aber die Strände auf Cozumel sollen ja nicht so gut sein, wie der bombastische Strand in Playa del Carmen. Auf der Fähre habe sie sich ja auch schon in die Sonne gelegt. – Bevor den Wandervögeln die Ohren abfaulen, verabschiedet Wandervogel 2 sich mit der Empfehlung aus den „Gespräch“, die Pfälzer-Ursel solle doch einfach ihr knapp bemessenes Budget in Alufolie und Olivenöl investieren und mehr Fähre fahren. Andere Menschen, andere Prioritäten.

Mex to the Max. Mexiko 2017: Krebsfleisch auf Knäcke


Die gleichnamige Hauptstadt der Isla Cozumel ist zudem der einzige bewohnte Ort. Weniger idyllisches Fischerdorf, besteht es im Wesentlichen aus einer Flaniermeile, auf der die anlegenden Kreuzfahrttouristen entlang wackeln. Statt Street Food gibt es hier Hooters, Cartier und TAG Heuer. Die Preise und das Angebot sind entsprechend, die Wandervögel werden den versehentlich bestellten Prawn-Burrito ihren Lebtag nicht vergessen, jedoch nicht weil die geschmackliche Erfahrung sie aus den Flip-Flops drosch. Eher das Gegenteil war der Fall, der Kontoauszug ist der stumme Zeuge. Um nicht mehr Zeit in den Armen der übermütterlichen Herbergsmutter zu verbringen als nötig, besorgen sich die Reisenden ein Moped, um die Insel knatternd zu erkunden.


So geht es in der mexikanischen Mittagssonne – die Wandervögel sind Timing-Experten – auf der feuerroten Suzuki-Knäckebrotsäge am Meer entlang. Vorbei an Marinas und zahllosen Resorts biegen die Knattervögel mit durchgerüttelten Hintern in den Punta Sur Eco Park ein. Der bonbonbunte Prospekt verspricht Krokodile, Schildkröten, Lagunenfahrten und Schnorcheln am Strand. Während partylaunige Amerikaner, die es bevorzugen in Jeeps durch das Reservat zu kacheln, an der Mopedcrew vorbeiheizen, erfreuen sich die Helmträger am klaren Wasser von unnatürlichem Türkis. Allerdings gehören die Augen auf die Straße, über die immer wieder lebensmüde Iguanas in verschiedenen Ausführungen pesen.


Entgegen der Auskünfte des Personals am Einlass („All inclusive! Yes, yes!“) verlangen die Verleihnazis am Strand sportliche 12 US-Dollar für das überlassen von Schnochelausrüstung. Hallo? Aber bestimmt nicht mit den Wandervögeln. Die stürzen sich kurzerhand mit Schwimmbrillen in die Fluten, nur um festzustellen, dass es rein gar nichts zusehen gibt, im sogenannten Naturschutzgebiet. Nach dem entrüsteten Trockenrubbeln hat sich auch der Lagunen-Chauffeur bereits in den Feierabend verabschiedet, so dass die Wandervögel wutentbrannt entlang der idyllischen Meereslandschaft aus dem Park knattern. Über ihren Zorn haben die beiden Flitzpiepen allerdings vergessen sich einzucremen und so rasen sie entspannt anderthalb Stunden, begleitet von kühlendem Fahrtwind, um das Eiland. Hummer mit Helm, nicht hübsch aber selten.


Immerhin taugt das verbrannte Schicksal der Wandervögel zu einer Überleitung, denn sie wollen sich in einem Lokal frischen Fisch bereiten lassen. Die alte Schule, in der man sich den Meeresbewohner noch aussuchen darf, bevor er auf den Grill wandert. Während die hungrigen Krebse warten, soll ein mexikanisches Aerobik-Programm auf den zahlreichen Flachbildschirmen für Zerstreuung sorgen. Drei langhaarige Elsen und eine Vorturnerin recken und strecken ihre Pos in die Kamera und kämpfen dabei mit ihren immer wieder ins Gesicht fallenden Mähnen. Die – wenngleich unnatürlich rot – natürlich gut aussehenden Wandervögel können das ganze Gehampel nicht begreifen. Im Anschluss gibt es Musikvideos, in denen Frauen in Käfigen tanzen, aber da mampfen die beiden sich schon durch die grätenreiche Kost.