Die erste Nacht in der winzigen und auf das Heftigste überdekorierten Ferienwohnung endet früh, denn das Wanderküken macht röchelnd auf seinen ersten Schnupfen aufmerksam. Überdies hinterließ das Nachtlager aus durchgefurzter Federkernmatraze mit Memoryfoam-Topper bei den Futongestählten verspannende bis verstörende Eindrücke. Bei der Morgentoilette entdeckt Wandervogel 2 eine architektonische Eigenart der Butze: Der tiefste Punkt des Waschraums liegt keinesfalls – wie erwartet – innerhalb der ebenerdigen Dusche, sondern knapp einen Meter davor. Wildes, unkoordiniertes Feudeln mit einem Waschlappen ist die Konsequenz.
Mit viel zu starkem Kaffee und Fischbrötchen setzen die Wandervögel ein klares Zeichen in Richtung Schluss mit Lustig und brechen in Richtung Bad Harzburg auf. Den Ortskern lassen die Reisenden geflissentlich hinter sich, um direkt den ortsrandigen Baumwipfelpfad anzusteuern. Eine unaufgeregte Stahlkonstruktion mit überschaubarer Steigung führt zu einer Aussichtsplattform, die den Blick freigibt auf eine Hotelbaustelle im Bergwald. Wohlfürchtend, dass empörte Kundschaft angesichts dieser antiklimatischen Attraktion ihr Geld zurückfordern könnte, klittern die Betreiber den Bildungspfad mit Infotafeln zur Erdgeschichte. Diorama mit Schleich-Dinos inklusive. Kann man sich nicht ausdenken, muss man nicht gesehen haben.
So geht es dann ab in die nadelwäldliche Botanik zum sagenumwobenen Luchsgehege. Extra für die Wandervögel wurde nicht nur die Fütterung der scheuen Wildtiere ersatzlos gestrichen, sondern auch die Tiere kurzerhand versteckt. So kehren die Wandervögel in der Bergschänke zur Rabenklippe ein und platzieren sich zwischen lederhäutigen Rentnerinnen, die ihre Zigaretten in der Sonne genießen und sonnenverbrannten Gästen, die einander von ihren prägendsten Lebensereignissen berichten. („Auch mit Käse. Ich sag’s Dir: Einwandfrei. Gibt es auch im Internet. Windbeutelkoenig.de. Ein-wand-frei!“)
Immerhin hat das Trio Infernale beim Abstieg die Natur für sich – oder das, was von ihr übrig ist. Der Blick schweift über kahle Stellen, an denen Klimaerwärmung und Buchdruckerkäfer einst saftig grüne Fichten in kahlweiße Gräten verwandelt haben. Untermalt vom leisen Röcheln des schnottverkrusteten Wanderkükens, dessen Immunsystem gegen die virulenten Invasoren kämpft. Um sein Leid zu lindern, beschließen die verantwortungsvollen Eltern eine Investition: Der ungeschickte Einsatz einer Nasenschleim-Pipette mit extra großem Pumpbeutel soll das Kücken nachhaltig traumatisieren. Jeder Augenblick ein Geschenk, so steht es auf den Wohnmobilen.