Berlin 17-22 (Jason Lutes)


Für die Umsetzung des dritten und letzten Kapitels seines opus magnum benötigte Jason Lutes acht Jahre. Tatsächlich steckt viel Recherchearbeit in den Heften, die den Zeitgeist der strauchelnden Weimarer Republik sehr gut einfangen – ‚Emil und die Detektive‘ in ‚Babylon Berlin‘. Das Artwork ist stets augenfreundlich und schwankt zwischen detailreichen Stadtansichten und Panelreihen ohne Hintergründe, lieblos mit schnellem Strich gezeichnete Personen, denen sogar Gliedmaßen zu fehlen scheinen.

Seine über Jahre aufgebauten Handlungsstränge um den mit seiner Existenz ringenden Journalisten Kurt Severin, die sich nach einem bohemischen Leben sehnende Martha Müller und das Mädchen Silvia, das in der Jugendorganisation der KPD gegen die Nazis kämpft, führt Lutes hier zusammen. Schließlich sind ihre Geschichten allein nicht fesselnd und nur Träger mit unterschiedlichen Perspektiven für das Bild, das Lutes von einer Republik zeigt, der sich die Nazis langsam aber sicher bemächtigen. Einer Zeit, in der die Stimmung kippt; die angefeindeten Juden beginnen, das zu Land verlassen.

Im Kleinen und Mittleren patzt Lutes; wenn er immer wieder bei den Deutschen Texteinsprenkseln Fehler macht; wenn er alle Männer in Nebenrollen als kranke Jäger darstellt, die Frauen als Beute nachstellen und sie sogar verachten – weil sie lieber über die Falten von Haushälterinnen spotten, als sich Gedanken über ihre knurrende Mägen zu machen; wenn er vorrangig den modernen Klischees der Ära von im Verborgenen ausgelebter Transsexualität Raum gibt. Schließlich verdient sich das Gesamtwerk und der erzählerisch hochwertige letzte Band dennoch einen Platz als historisches Stimmungsbild.

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