Lujasogi. Bayern 2020: Last Exit Pfaffenstein

Der Nähe zu Tschechien geschuldet – und womöglich auch des höheren Arbeitseinsatzes bei geringeren Ansprüchen an die Entlohnung – heißt ein freundlicher Nachbarländer die Wandervögel in ihrer Pension willkommen, wo sie den Tag bei sächsischem Bier mit Blick auf die sächsische Schweiz ausklingen lassen. In doppelter Funktion übernimmt der Concierge am folgenden Morgen auch die Rolle des Frühstücksdirigenten: Hinter einem Zentimeter Plexiglas wirbelt der stämmige Osteuropäer daumengroße Teewurst-Schläuche, wässriges Industrie-Rührei und Treibgas-Brötchen auf Tellern zur Ausgabe. Mit so viel Chemie im Bauch kann das Abenteuer kommen.

Tut es auch, in Form des Pfaffensteins, aka Jungfernsteins, in den Himmel ragender Auswuchs tektonischer Aktivität. Erreichbar durch drei Aufstiege – aber nur der für Profis, mit der als Nadelöhr bekannten Felsenge – Alptraum fetter Hintern und gebärfreudiger Becken – kommt für die Wandervögel in Frage. Doch vor dem Aufstieg steht die Parkplatzsuche. Ein kompliziertes Unterfangen, wenn man zur zweiten Kohorte gehört; jenen, die erst zur Mittagszeit auf Wanderschaft gehen und ihr Fahrzeug am Heidehintern parken müssen. Unerwünschter Nebeneffekt: Wanderung vor der Wanderung.

Der Aufstieg gestaltet sich als wenig problematisch. Allenfalls die Rückstaus an den kniffligeren Passagen offenbaren, dass es die Wanderer mit dem Corona-Sicherheitsabstand nicht all zu eng nehmen – sich jedoch bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Hände mit Feuchttüchern entviren, weil sie sich fortlaufend am aus Heizungsrohren zusammengeschweißten Geländer festklammern. Der Umstand, dass auch ein entspannter Trampelpfad auf die Spitze führt, ermöglicht den Aufstieg auch Zeitgenossen, deren Komfortzone sich eng um Normalnull erstreckt.

So beispielsweise der perlbeohringten Frau von Klaus, die unter dem, über die Schultern gelegten Pastellpullover den Familienschnauzer in den Armen trägt. Sie fühlt sich unwohl auf dem Berg, auch weil die Höhe in ihrem ruheständlerischen Gatten Klaus den Klettermaxe weckt. Als Klaus unter Aufbietung aller Kräfte schmale Grade überklettert bricht es aus ihr heraus: „Klaus! Geh da nicht rauf. Klaus! Komm zurück. Klaus! Nein. Klaus! Weißt Du, was ich durchmache?“ Nachdem alle Augen auf die hysterische Bürgerliche gerichtet sind, ergreift diese die ’ultima ratio’: „Klaus! Wenn Du nicht sofort zurückkommst, gehen wir. Klaus! Ich meine es ernst.“ Der auf Durchzug geschaltete Klaus/Maxe bekommt von alldem nichts mit und posiert schließlich vor den missliebigen Augen seines Hausdrachens. War es das wert? Ja! Die Einheimischen kommentieren: „Übelst, geile Schau!“

Nach einem flotten Abstieg klemmen sich die Wandervögel hinters Steuer und kehren langsam aber sicher Sachsen den Rücken. Vor ihnen liegt der erste Bayern-Stopp, der keiner ist. Denn zumindest in den Augen der Einwohner ist ihr Bamberg nicht Bayern sondern Oberfranken. Je stärker die Wandervögel hinschauen und -hören, desto geteilter ist ihr Land; ein Europa im Kleinen. Doch was scheren sie Befindlichkeiten, wenn es Bier und Kulinarisches in weitgehend unzerstörter mittelalterlicher Altstadt zu entdecken geben soll? Doch diese versteckt die hutzelige Stadt, die pfauengleich ihre Winzigkeit durch ein Aufblähen mit unansehnlichen Industrievororten und Trabanten-Stadtteilen kaschiert.

Schließlich gibt Bamberg jedoch auf und die Reisenden kommen in einem frühstückslosen Betonbunker aus den 60er Jahren an. Auf der Suche nach Labung stolpern die Wandervögel das historische Pflaster rauf und runter. Für ein Studium Eingeschriebene und andere Taugenichtse belagern die obere Brücke des alten Rathauses, jeder ein Schlenkerla am Hals und den Nachschub in Papptüten vom Rewe. Die Wandervögel wollen eigentlich stur mittendurch, aber bei so viel Boheme knicken sie dann doch ein: Mit zwei Rauchbier aus der Biermanufaktur um die Ecke mischen sie sich unters Volk, bis sie ihre knurrenden Mägen daran erinnern, dass von Bier allein die Welt nicht heile wird.

So lassen sie sich schließlich auf die Bänke der Kachelofen-Schänke fallen und nachdem die verstrahlte Bedienung ihnen Aufmerksamkeit schenkt und anbietet sich in die Corona-Liste einzutragen, ordern die Hungrigen die „Frankenpfanne“. Es folgt eine Blechschale mit Haxn, Schäuferla und Würschtln auf Bratkartoffeln und Sauerkraut an Klößen. Der dazu gereichte „Wirsing“ ist die Fränkische Guacamole. Mampfend kämpfen sich die Ausgehungerten durch die Fleischberge, bis schließlich selbst der Senftiegel blank ist. Feierabend!

2 Gedanken zu „Lujasogi. Bayern 2020: Last Exit Pfaffenstein

  1. Hallo min Joachim. Ik wull nur Danke sagen, für den netten Reisebericht von Di und Jule. Melde mi morgen, hem vel Arbeit und ken Hühnerkorn mehr. Vele Grötnisse von Britta u Gerle!!!

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