Atlantisch. Azoren 2019: Ferien auf dem Bauernhof

Der Tag auf Flores beginnt animalisch. Des Nachbars Gockel weist lautstark auf den nahenden Sonnenaufgang hin, weckt seinerseits die Kuh, die dem Hahnenschrei ein „Muh“ erwidert und die Wandervögel stöhnen ob all dieser unzivilisierten Naturnähe in ihren Kissen. Die Reiseleitung zermatscht an den Wänden der leicht schimmeligen Unterkunft unliebsame Gäste aus dem Reich der Insekten, während Wandervogel 2 versucht dem Ameisenkönigreich den für das Frühstück intendierten Brotlaib abzuringen. Unter lautem Grillengezirpe verinnerlichen die Reisenden vor der Haustür lokalen Käse zu Pulverkaffee und schwingen sich in die Nuckelpinne, um das Eiland zu erkunden.

Entgegen des ausdrücklichen Versprechens der Reiseleitung wird wieder gewandert. Durch den rutschigen Regenwald geht es an vermoorter Vegetation zu einer idyllischen Wasserfalllichtung. Eine Angehörige der verlorenen Generation nutzt das vorhandene LTE, um die eigene Präsenz im Umfeld der Schönheit des Bergsees per Videokonferenz mit dem über die gesamte Welt verstreuten sozialem Netzwerk zu teilen. Immerhin verwendet sie dazu weder Selfie-Stick noch Drohne, so dass sie haarscharf mit dem Leben davon kommt.

Weiter geht es mit der Möhre über Berg und Tal zu im Nebel liegenden schwarzen und grünen Seen, an denen sich gerade eine Wandergruppe aufmacht ihr Waterloo zu erleben. Rollsplitt und Kies verspritzend, kachelt Wandervogel 1 von einem Aussichtspunkt zum Nächsten. Wasserfälle, sattes Grün, Für verblühte Hytensienhaine entschädigende Strelitzien und vor allem angenehm wenig Menschen. Dafür aber Kühe mit Freiheitsdrang, die sich im Geisternebel des Bergkamms auf die Fahrbahn trauen und an dem asphaltierten Untergrund so viel Gefallen finden, dass sie nicht daran denken die Fahrbahn mit den Wandervögeln zu teilen.

Auf der täglichen Wein-und-Käse-Shoppingtour erspähen die Wandervögel hinter Flughafen eine idyllische Badegelegenheit. Als Ergebnis vulkanischer Aktivität ist ein natürliches Meerwasserbassin entstanden, das die Einheimischen für Badefreudige urbar gemacht haben. Wandervogel 2 wählt entgegen einer starken Neigung und rutschiger Stufen – sehr zum Bedauern der erwartungsvollen Einheimischen, unter denen sich die Stuntman-Qualitäten des Nordeuropäers bereits verbreitet haben – einen unspektakulären Einstieg. Unter der Oberfläche offenbart sich – sehr zum Leidwesen der quiekenden Reiseleitung – fischiges Artenreichtum. Unter dem strengen Blick ihre Scheren wetzenden Krebse, spaddeln die Reisenden in der Bouillabaisse. Wenn Reisen zum Urlaub wird.

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