Atlantisch. Azoren 2019: Wasserfallende Regenbogen

Nach der mehr oder minder erfolgreichen Walsichtung haken die Wandervögel Faial als durchgespielt ab. Da der Flieger zur nächsten Insel des Atolls erst Mittags abhebt, schlagen die Wandervögel Zeit tot. Mit Käsebrot im Bauch geht es durch den Hafen von Horta. Gute Sitte ist es unter Seglern hier vor einer Atlantiküberquerung ein letztes Mal eine echte Toilette zu benutzen und die Thunfisch-Vorräte aufzufüllen. Die Geltungssüchtigeren unter ihnen verzieren die Hafenwände mit Graffitis, damit auch jeder wissen kann, wann es sich Isabell, Tim und der kleine Rouven-Pascal erlaubten, mit ihrer 70-Meter-Yacht dem Haifischbecken der Hochfinanz kurzzeitig zu entfliehen, um ein Hochseeabenteuer zu erleben.

Das Sicherheitspersonal am Flughafen von Horta ist sehr gewissenhaft und erledigt seine Arbeit mit größtmöglicher Sorgfalt um sich ja nicht den nächsten Anis Amri in die Schuhe schieben zu lassen. In der Folge ist der um harmlose Außenwirkung bemühte Wandervogel 1 fällig. Immer wieder rauscht der Rucksack durch den Scanner, immer wieder passt dem Personal etwas nicht. Das vermeintliche Gerät zur Flugzeugentführung entpuppt sich schließlich als ein Viererpack AA-Akkus. Was man damit wolle? Energie für den Bedarfsfall vorhalten. Ah! Im Anschluss an das Filzen, der Gürtel ist gerade wieder in die Büx gefädelt, startet das Hauen und Stechen um den besten Platz in der Schlange für das Boarding. Getrieben von der Sorge, der Flieger würde die letzten 75 Bordkarteninhaber nicht mitnehmen bedrängen die panischen Touristen den Schalter von allen Seiten. Am Ende sind dann vier Plätze frei.

Angekommen auf Flores stürzen sich die Wandervögel in den Kampf um die Mietwagen. Während andere schlecht greifende Bremsen und mangelhafte Federung monieren, düsen die Düsenden in einem Renault Clio vom Flughafengelände. Der Grund für das Gemecker über Bremsen und Federung wird schnell evident: die steigenden, fallenden und hart haarnadelndem Straßen der Mini-Insel sind anspruchsvoll – Wandervogel 1 spreizt die Finger und streift bestimmt ihre schwarzledernen Autofahrerinnenhandschuhe mit den Knöchelaussparungen über, schließt deren Druckknöpfe an den Handgelenken, lässt den Motor aufheulen und stürzt sich in die mäandernde Herausforderung. Am Ende wird sie die Möhre nie über den dritten Gang hinausfahren.

Die Piste führt die Knatternden quer über die Insel und mitten durch einen Wolkenbruch biblischer Ausmaße. Zu allem Überfluss schlägt das Navigationssystem eine kürzere Strecke vor. Angesichts Schotter und wahnwitziger Gefälle widerstehen die Wandervögel der Versuchung und schieben sich in Schrittgeschwindigkeit durch die Serpentinen. Das Ende der Tour ist Faja Grande, ein verfallendes Dorf am westlichsten Zipfel Europas – das Ende der zivilisierten Welt. Kein Starbucks, kein Burger King, kein IKEA, nur 1742 Menschen, die gut auf ihre 1742 Rinder aufpassen und es sich bei Rotwein, Wurst und Käse gut gehen lassen. Als das Wetter-Inferno schließlich aufgibt, machen sich die Wandervögel auf einen schnellen Erkundungsgang und lernen die Sonnenseite des Wetter-Infernos kennen: Der örtliche Wasserfall führt für die Feierabend-Fotos extra viel Wasser, gibt Vollgas und wirft mit 270-Grad-Regenbögen um sich. Manchmal klappt es.

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