Supersized. USA 2018: Auf dem Kriegspfad

Nach einem knappen Käsebagelfrühstück schwingen sich die Wandervögel wieder auf die Interstate. Im Rückspiegel Williams vor ihnen die Vorfreude auf das Naturschauspiel Grand Canyon und die Ungewissheit, wie viel Wahrheit den Legenden über die endlos langen Warteschlangen vor dem Eingang innewohnt. Der einöde Weg zur Sehenswürdigkeit führt durch Indianerland. Entlang des Weges ganz viel roter Sand und blaßgrüne Sträucher, vereinzelte Bretterbuden und Wohntrailer, über deren originäre Farbe die Wandervögel nach Jahrzehnten der Winderosion nur noch spekulieren können. Aber wenn die Ureinwohner schon hausen, dann doch zumindest mit der passenden Untermalung. Ein Schild am Wegesrand wirbt für den lokalen Radiosender, der indigene Kracher spielt.

Tatsächlich haben die Wandervögel ausnahmsweise Glück und rutschen mühelos auf den Parkplatz des Nationalparks vor. Um auch den Faulen und Fettleibigen einen Zugang zur drittgrößten Erdspalte der Welt zu ermöglichen, pendeln Busse zum Rande des Erdlochs. Das Fahrpersonal, verflucht mit dem langweiligsten Beruf der Welt, versucht mit gequält witzigen Ansagen und dem mahnenden Klassiker „Bitte weiter durchgehen!“ die Sinnleere zu beseitigen und die Kundschaft zur Weißglut zu bringen. Die Wandervögel fahren bis zur Endstation und treten den Rückweg entlang des Canyons zu Fuß an. Tatsächlich beeindruckt die tief zerklüfteten vielfarbige Landschaft durch die sich der Colorado windet.

Allerdings verliert auch diese Attraktion nach vier Stunden Gewaltmarsch entlang des Abgrunds geringfügig an Reiz. So soll es mit dem Shuttlebus zurück zum Parkplatz gehen, doch aus der entspannten Rückfahrt wird nichts, müssen die Wandervögel ihre Sitzplätze doch für Mitfahrende räumen, die mit ihrer Fettleibigkeit Behindertenstatus erlangt haben. Aus Freude über die Sitzgelegenheit stoßen die Fleischberge mit einer Cola an, die der männliche kolossale Fleischberg unter seiner Fettschürze verborgen hatte. Sich die Beine in den Bauch stehend verfolgen die Wandervögel das gluckernde Spektakel mit Faszination und Ekel.

Da sich auch diesmal die Organisation von Wandervogel 1 als vortrefflich erwies, wird die Reiseleitung abenteuerlustig. Warum Zeit darauf verschwenden teure Herbergen im Voraus zu buchen, wenn man sich auch vor Ort die günstigen Rosinen picken kann? Gewagt, getan, geht es Richtung Monument Valley, das am Folgetag durchfahren werden soll. Der Plan sieht vor, auf dem Weg dann einfach in eines von zahlreichen Motels einzukehren, ein Bier, ein Steak, die Füße hoch oder in den Pool, die Seele baumelnd. Doch als sich die Sonne immer weiter über der menschenleeren Einöde von Arizona senkt und bald der Mond die schroffen Felslandschaften bescheint, erweist sich die Theorie als mausgrau.

Vorstellig in Tuba City (Posaunenhausen – kann sich keiner ausdenken, sowas) erwidert die Navajo-Rezeptionistin auf die Wandervogel-Frage nach dem Vorhandensein eines Zimmers und dessen Kosten, dass tatsächlich noch eines zu haben sei. Ha! Lachen sich die Wandervögel ob des Aufgehens ihres Plans in die Fäustchen. Doch das Lachen verstummt als die Squaw nachschiebt, dass sie dann schon ganz gerne 165 Dollar dafür sähe. Und Steuern. Und Bearbeitungsgebühren. Wortlos verstehen sich die Wandervögel und schreiten langsam rückwärts zum Ausgang der Lobby, um schließlich zum Auto zu stürmen und vom Hof zu rasen.

Da es nicht schlimmer werden kann, preschen sie weiter durch die Nacht; schließlich soll der nächste Ort drei Hotels bieten und ist nur schlappe 125 Kilometer entfernt. In stockdunkler Nacht kommen die beiden in Kayenta an. Geschätzt sieben Achtel der knapp 5.000 indigenen Einwohner lebt in Wohnmobilen oder schläft und vermehrt sich unter freiem Himmel. Das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Ortes ist der Parkplatz vor dem Supermarkt, an den Filialen von McDonalds, Burger King, Subways und Taco Bell grenzen. Auf der Ausfallstraße dahinter die Unterkunft der Wahl, an dessen Fenstern Schilder verkünden, dass man „fully booked“ sei. Seufzer.

Als letzte Optionen bleiben die einander gegenüberliegenden Motels, deren Tresenkräfte sich partout nicht auf einen Glasperlen- und Feuerwasser-Deals einlassen wollen, sondern auf 200 Dollar für eine Übernachtung pochen. Die späte Rache dafür, dass man den Ureinwohnern einst ihr Land abgeluchst hat. Und wer muss es ausbaden? Die Wandervögel. Ihren Ruin vor Augen bäumen sie sich ein letztes Mal auf und Wandervogel 1 fragt nach Frühstück? Ja, gäbe es, sei lecker, koste extra. Aber wenn sich die Wandervögel beeilten, dann dürften sie noch zehn Minuten im Pool schwimmen, bevor der schlösse. Oder sich eben ertränken.

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