Xbox 360: Alice: Madness Returns

Die letzte Auseinandersetzung mit Alice, ist Jahre her. Damals auf dem PC, an einem viel zu kleinen Monitor: American McGee’s Alice (WP). Die verstaubte Erinnerung sagt: düstere Atmosphäre und brutal-präzises Plattformhüpfen im Raum. Schmerzen wie einst bei Landstalker (WP) oder Last Ninja (WP). Aber voller Blut und psychedelischem Viehzeug und schönem phantasievollen Leveldesign. Also den Nachfolger eingelegt, in der Hoffnung, dass Alice: Madness Returns anknüpfen kann, in der Hoffnung, dass das Hüpfen nun weniger schmerzt und die atmosphärische Schauerlichkeit in HD  ordentlich angezogen hat. Beim Auspacken große Freude: Der Original-Titel ist als DLC kostenlos dabei. Vielen Dank. Warum nicht auf der Game-DVD? Ach ja… Project Ten Dollar. Gnaaaa!

Wir beginnen im Kinderheim im viktorianischen Oxford, das atmosphärische Parallelen zu Alan Moores (WP) London in From Hell (WP) aufweist. Die Figuren mit Kartoffelnasen bis zur Karikatur überzeichnet und immer wieder die Schwelle zur Phantastik überschreitend. Die gestörte Alice verfolgt eine Katze und landet unversehen im Wunderland. Ein krasser Gegenentwurf zu Backstein und Bodennebel. Hier wabern alle Farben des Regenbogens ineinander, wir entfremden riesige Pilze als Trampoline und nach einem Bad in einem violetten See können wir uns auf die Größe eines Nagetieres schrumpfen. Geschrumpft erreicht man abgelegene und sonst unzugängliche Orte, nimmt aber auch Hinweise war, die mit Zaubertinte in die Landschaft verpinselt sind. Spiderman und Batman kennen das.

Mit diesen spielerischen Grundmechaniken des Hüpfers und Schrumpfens und bewaffnet mit einem Damastmesser, später zusätzlich einem Gatling-Pfefferstreuer, einem Totschläger-Steckenpferd und einer Gratwerfer-Teekanne, nimmt die Reise ihren Lauf. Wir durchstreifen dampfgetriebene Maschinenhöllen, Eis- und Unterwasserwelten, eine asiatische Welt aus Jade und Origami – nach jedem Kapitel eine kurze Stippvisite in Oxford, der Haupthandlung zu liebe. Die Phantasie und Kreativität die Spicy Horse (@spicy_horse) bei der Spielgestaltung an den Tag legten, ist wundervoll. Farmen geknechteter Dodos, die in Laufrädern gehalten werden, gigantische Kreuzungen aus Dampflokomotive und Kathedrale und riesige, die Wände bekriechende Schnecken allein im ersten Kapitel. Alice: Madness Returns ist bis zum letzten Winkel angefüllt mit wunderbaren Schrecklichkeiten garniert mit Cockney-Voice-Acting und stimmigem Geräuschen, die eine Atmosphäre generieren, so dicht, dass man sie schneiden kann.

Im Gegensatz zur äußerlichen Vielfalt, mutet der Spielablauf karg an: Springen auf schwebende, schlimmstenfalls unsichtbare Plattformen und das Umlegen von schwer erreichbaren Schaltern, um Türen und Tore zu öffnen. Dank halbwegs fairer Rücksetzpunkte hält sich der Frust über schwer zu meisternde Stellen in Grenzen. Dennoch ist Alice spielerisch nicht mehr als ein hervorragend verkleideter Plattformer mit Schnetzel-Einlagen. Stattgegeben, zwischendurch regiert der Wahnsinn in 2D und wir finden uns in einem Unterwasser-Shooter oder bei Super Monkey Ball wieder, aber insgesamt bleibt Alice die kleine und reizende Schwester von unserem besten Kumpel Mario. Die Schönheit der schrägen Welt ist jedoch so groß, dass man das Schmalspur-Spielprinzip ertragen kann, die unzähligen Sprünge ins Nichts. Man möchte einfach sehen, welche wahnsinnigen Schöpfungen sich die Entwickler für den Klimax aufgehoben haben.

Und weil es einfach dazugehört: Annihilator – Alice in Hell

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