Íngreme. Madeira 2020: Alles nach Plan

Ein Hämmern an die Scheiben der Schlafstelle lässt Wandervogel 2 aus dem Schlaf schrecken. Doch statt eines aufgebrachten Nachbarn oder eines irren Mörders, ist es nur das Wetter, das in seiner unbändigen Wucht gegen das Glas trümmert. Im gleichen Moment, in dem er den triumphalen Sieg über die Natur auskostet, wird ihm jedoch gewahr, dass die Badeklamotten den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert auf der Terrasse zum Trocknen hängen. Nur mit seinem Schlüpfer bekleidet sprintet der Adonis durch das Appartement, müllert sich fast auf dem Dielenimitatlaminat ab und hechtet hechtgleich ins Freie um Lycra und Microfaser zusammenzuklauben. Am Ende der aussichtslosen Situation siegt wie immer die Natur, seufzend entschließt sich der Durchnässte dazu, Kaffee aufzusetzen.

Es regnet sich ein. Einen der wenigen lichten Momente nutzt die Reiseleitung als Argument zum Aufbruch, schließlich soll ausgerechnet heute die schönste Wanderung der Insel bewältigt werden. So steht es auf dem Plan und der sei verdammt noch mal einzuhalten. Die Konsequenzen eines Widerspruchs abwägend, entscheidet sich Wandervogel 2 die Lektüre bei Seite zu legen und in die Wanderhosen zu schlüpfen. Aufgrund aberwitziger Wegführung zieht sich die Anfahrt ins Hochgebirge. Zum Regen gesellt sich Nebel und verschiebt die Wanderkonditionen ins Suboptimale während die Wandervögel in Territorien handgemalter Verkehrszeichen einfahren. Es hat keinen Sinn, sie kehren um.

Doch Umkehr bedeutet nicht Heimkehr, denn die Reiseleitung hat einen Plan B im Handschuhfach und steuert die Grotten von São Vicente an. Der menschenleere Parkplatz omt Schlechtes und in der zur Sehenswürdigkeit führenden Unterführung sorgt ein Zettel in Klarsichthülle für Klarheit: Grotten zu wegen Corona. Zarter Dampf steigt aus dem Kopf der Reiseleitung, die sich ob der Zertrümmerung ihrer Pläne mit einer nonchalanten Geste mit dem Handtücken den feinen Schaum vom Mund wischt. Mit einem einzigen Wort macht sie ihrer maßlosen Entrüstung Luft. „Frechheit“, entfährt es ihr. Ab ins Auto und durch haarnadelnde Serpentinen und endlose Tunnel zurück in den nebligen Regen.

Plan C sieht einen Besuch der vortags
aufgesuchten Badestelle vor. Um diese zu erreichen bedarf es eines Tankstopps, den die Reiseleitung zum Erwerb einer lokalen Spezialität nutzt: Dem Beifahrer eine Annanasbanane in Schoß werfend schwingt sie sich hinter das Steuer und kachelt los. Vor Ort wollen die beiden Plan C bis auf die Knochen auskosten. Taucherbrille? Check! Schnorchel? Check! Flossen? Check! Geld für Eintritt und Schwimmbadpommes? Check! Doch wie zum Tagesanbruch spielt der Atlantik auch zum Tagesausklang seine Stärke aus. Rote Flagge, Badestelle abgesoffen, ,bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen‘. Was die emotionale Apokalypse schließlich abwendet, ist frischer Käsekuchen mit Maracujahaube.

Íngreme. Madeira 2020: Welliger Bettenwechsel

Die Tage an der Südseite der Insel sind vorbei. Die Reiseleitung instruiert zum Sachen packen und verladen, denn die Reisegruppe soll für ein paar Tage in den Norden des Eilands ziehen – natürlich nicht, ohne auf dem Weg dahin alles mehr oder minder Sehenswürdige abzuklappern. Vor den ersten Stop, Ribeira Grande, hat irgendwer allerdings wieder zahllose steile Serpentinen gesetzt. Die Fahrerin macht ihrer Frustration lakonisch mit der Feststellung Luft, dass sie anmerkt, weder im Reiseführer noch in den zahllosen idiotischen YouTube-Videos hätte es irgendwer für notwendig gehalten zu erwähnen, dass die ganze verdammte Insel aus verdammten Serpentinen mit verdammten Steigungen bestünde.

Schon bei der Einfahrt entpuppt sich Ribeira Brava als Mogelpackung, denn der Ort ist weder schneidig noch tapfer. „Maximal eine Stunde“, seufzt die Reiseleitung, während sie die Parkuhr füttert. Der Küstenort ist derart verschlafen, dass sogar die Baumaschinen stillstehen. Die Einheimische kippen sich in den schattigen Straßencafés Kaffee hinter die Binde oder stehen sich in Souvenirläden die Beine in den Bauch. Lustlos schlurfen die Besucher durch die öden Straßen und schauen von der Promenade über schwarzen Sand und Wellenbrecher auf den Atlantik. Der Höhepunkt des Besuchs ist das Besteigen einer Aussichtsplattform über eine Wendeltreppe, wenngleich der Ausblick für die Mühen des Aufstiegs nicht entschädigen vermag.

Als könnte es nicht öder werden, belehrt der nächste Punkt auf der Reiseordnung sie eines Besseren. Schon im Anfahren sieht Ponta do Sol noch öder aus und so knattern die Knatternden kompromisslos daran vorbei. Nicht nur die Gesichter, auch die Tunnel werden immer länger, Sonnenlicht und Meerblick zur Mangelware. Am Ende eines besonders langen Exemplares, als die Sehnsucht nach sonnendurchstrahlter Atlantikluft besonders groß ist und die Weltreisenden angesichts des Lichts am Ende des Tunnels bereits erwartungsvoll ihre Scheiben herunterfahren, tischt Madeira eine kleine Überraschung auf: Sturzregen.

Auf dem nördlichen Teil der Insel ist alles anders und dennoch bleibt alles wie es ist. Anstatt sich in behäbigen Wellen über den schwarzen Sand zu ergießen, krachen die Atlantikmassen hier ungezügelt auf zerklüfteten Stein. Meterhoch schießt die Gischt in den Himmel und klatscht beim Niederfall auf die Küstenstreifen – Wandervogelmobil inklusive. Das Universum bleibt in der Waage, es gibt einen Schrecken und macht dafür eine Fahrzeugwäsche überflüssig. Statt wie mit dem Streuer in die Hänge gesprenkelter orange-roter Häuser, dominiert hier saftiges Grün. Doch auch im Norden pflegt man prä-industrielle Traditionen, wenn die Bauern ihre Kartoffeln in den Serpentinen der Straßen ernten.

Die Anfahrt zur Unterkunft in Porto Moniz führt durch Weinberge. Hoffnungslos untermotorisiert beten die Reisenden schließlich, dass Handbremse und erster Gang die Blechbüchse am Wegrollen und im-Meer- oder -Weinberg-Verschwinden hindern. Die letzten 200 Meter geht es zu Fuß mit Sack und Pack durch meterenge Mauerschluchten, die kein zurück ermöglichen. Für all die Qual entschädigt dann eine Terrasse mit Blick über Bauschrott auf die tosenden Fluten. Um dem Tag schließlich noch etwas Gewinnbringendes abzuringen, stürzen sich die Wandervögel in die örtlichen ‚piscinas naturais‘. Im Bad zwischen tödlicher Brandung und scharfkantigen Lavagestein sollen die anstrengenden Stunden von den Reisenden abfallen. Aufgrund der turbulenten See weht vor Ort jedoch die gelbe Flagge: Tagesausklang im Babybecken.

Íngreme. Madeira 2020: Bei Jesus oben ohne

Der Reiseführer lobt den Nonnen-Pferch in den höchsten Tönen. Tatsächlich ist die Vorstellung, dass sich Nonnen einst in einen Talkessel zurückgezogen, um von Piraten ungestört Schnapps zu destillieren, interessant. Allerdings ist der Spaß schon lange vorbei und was blieb und bleibt ist ein idyllischer Talkessel mit einem Kaff voller Ramschbuden – so die Unterstellung von Wandervogel 2. Doch diese Griesgrämerei soll die Wandervögel nicht abhalten, dort vorbeizuschauen. Flugs klemmen sie sich in die Sitze ihrer Nuckelpinne und machen sich auf den Weg. Um Nerven und Kupplung zu schonen entschließt sich die Reiseleitung statt endloser Steilhänge lieber die nervenschonendere Tunnelroute zu nehmen, die allerdings landschaftliche Aspekte komplett außen vor lässt.

Schließlich führt jedoch kein Weg zum Nonnenpferch an den unsäglich steilen Pisten vorbei. Farbe weicht aus den zart gebräunten Gesichtern, Fingernägel krallen sich in Lenkrad und Türverkleidung. In einem unausweichlichen Überholvorgang zeigt sich den Aufwärtsschnecken, was denen blüht, die sich nur einmal verschalten: Klötze hinter den Hinterreifen und Warten auf hochmotorisierten Pannendienst. Nach zahllosen Kurven und unerträglicher Steigung erreichen die Wandervögel die Aussichtsplattform, von der aus der Weg in den Talkessel führen soll. Beim Verlassen des Fahrzeugs erfüllt ein verbrannter Geruch die Luft. Groß ist die Erleichterung, als nicht die zerschlissene Kupplung sondern die mangelnden Kochkünste des Imbissbetreibers sich als ursächlich herausstellen.

Der Blick ins Tal wird schließlich als ausreichend empfunden, sodass die Wanderung flachfällt und der nächste Programmpunkt vorrückt. Vorbei an Einheimischen, die über die Leitplanke gebeugt Brombeeren an der Schnellstraße pflücken, geht es zur Aussichtsplattform von Cabo Girao. Tunnel, Licht, Tunnel, Licht. Den Ausblick in 580 Metern über dem Meer trübt geringfügig, dass die Plattform aus Glasbausteinen besteht, von denen einer bereits einen durchgehenden Riss aufweist. Bevor das Bauwerk in sich zusammenbricht ruft die Reiseleitung zum nächsten Etappenziel. Es geht bergauf und bergab in den Fischerort Camara de Lobos, den der Reiseführer als ‚pittoresk‘ beschreibt. Tatsächlich scheint es das falsche Adjektiv, denn statt ihren Fang feilbietende sonnengegerbte Fischer begrüßen die Wandervögel Bauarbeiter, die in den engen Gassen unüberhörbar ihrem Werk nachgehen. So fasst der grimmige Blick der bronzene Statue des auf die Bucht blickenden Winston Churchill die Atmosphäre dann deutlich besser zusammen. Immerhin entgegnet der Hafen mit seinen bunten Jollen einen freundlichen Abschiedsgruß, als es zum nächsten und letzten Programmpunkt des Tages geht, der Statue von Cristo Rei – zumindest der 14 Meter hohen Miniaturversion.

Noch bevor sie der Sohn Gottes in seine offenen Armen nehmen kann, begrüßt die sich auf die Höhe gequält habenden die fußballerische Inselelite. Ein aufgekratzter Haufen junger Männer – wie auf Madeira üblich in der Freizeit weitgehend ohne Oberbekleidung – führt sich auf wie auf einer Klassenfahrt. Ein schnöseliger Gelkopf mit Einstecktuch bereitet sich derweil auf seine Moderation für das Abendprogramm des örtlichen TV-Senders vor. Seine Crew bereitet gerade die Kamera-Drone vor, um ihn auch dynamisch in Szene setzen zu können. Kurzum: Genau die entspannte Atmosphäre, für die die Reisenden verreist sind. So bleibt es bei einem schnellen Schnappschuss, um den Tagesausklang erneut mit den Serpentinen und Kupplungsgestank zu verbringen.

Íngreme. Madeira 2020: Perverses Piepen

Der nächste Tag beginnt, bevor er angefangen hat. Um 23.50 Uhr schüttelt die Reiseleitung den bierselig schnarchenden Wandervogel 2 aus den Federn. „Es hört einfach nicht auf zu piepen!“ Durch diese Aussage geweckt zu werden und sinnvolle Handlungsstrategien zu entwickeln, sind Herausforderungen, denen sich der Weltreisende gerne stellt. Das penetrante Geräusch aus der Küche verfestigt den Eindruck, dass ein handfestes Problem sich eingeladen hat: Der Geschirrspüler macht dergestalt unangenehm auf sich aufmerksam, dass er statt zu spülen das Wasser in die Küche pumpt und die Freude über diese neu gefundene Fähigkeit mit penetranten Pieptönen untermalt. Wie Gott ihn schuf glitscht der Wandervogel durch das Spülwasser, reißt die Sockelleiste ab und versucht mit der Stirnlampe Licht in den Unterbau zu bringen. Stecker raus, Ruhe im Karton.

In Anbetracht der noch immer lecken Kanalisation machen sich die Wandervögel am nächsten morgen entlang der Promenade von Caniço auf die Suche nach einer geeigneten Atlantik-Bademöglichkeit. Diese finden sie im örtlichen Spa, das eine tolle Meerwasser-Badeanlage besitzt, aber auch Lebkuchen-farbene Rentnerinnen und All-Inklusive-Abenteurer anzieht, was die Stimmung etwas dämpft. Doch die Wandervögel lassen sich von der schäbigen Crowd die Spaddelei nicht verderben, legen Maske, Schnorchel und Flossen an und schluppen durch die Anlage, als wollten sie an Bord der San Francisco Maru nach dem Rechten sehen.

Nach dem Frühsport steht Kultur auf dem Programm. Der Regionalmarkt und die Altstadt von Funchal. Ersterer ist so weit fortgeschritten, dass das Reinigungspersonal bereits die abgeräumte Fischabteilung aus Gartenschläuchen reinigt. Lediglich Blumenzwiebel-Händler und Souvenir-Verkäuferinnen harren aus. Wer auf der Suche nach Kork, Korb oder mit Hähnen verzierten Tuchwaren ist, wähnt sich im Paradies, den Wandervögeln entlockt das Angebot eher ein Gähnen. So ziehen die Reisenden durch die demoliert anmutende Altstadt mit ihren vermeintlich kunstvoll gestalteten Türen, wobei sich zeigt, dass das Kunstverständnis hier sehr weit gefasst ist. Über ihren Köpfen verkehrt die Seilbahn, die Bergspitze mit Strand verbindet. Da die Höhen heute im Nebel liegen, sparen sie sich die Fahrt in die Waschküche.

So geht es dann mit einem Umweg über den örtlichen Supermarkt zum Frischfischshopping wieder in die Butze mit Atlantikblick. Das erweist sich angesichts der Steilheit der Nebenstraßen als durchaus anspruchsvolles Unterfangen. Auch der Umstand, dass das Navigationsgerät sich in den zahllosen Tunneln eine Auszeit nimmt, die über das Ansagen von Wegweisungen beim folgenden Kreisverkehr hinausgeht, trägt nicht zum Fahrspaß bei. Zum haben es die Einheimischen weder sonderlich mit der Wegweisung noch mit der Benennung ihrer Straßen. So fällt sich das Navigationsgerät immer wieder selbst ins Wort, weil die Strecke bis zum nächsten Richtungswechsel kürzer ist, als die benötigte Zeit zum Aussprechen des Straßennamens. Kreidebleich und vom Schweiß der sehr begründeten Angst bergab ins Meer zu rollen durchtränkt, schaffen sie es dennoch heil an den Herd.

Íngreme. Madeira 2020: Unter Bauern

Nach einem atlantischen Sonnenaufgang und Frühstück mit örtlichen Käsespezialitäten, wollen die Wandervögel die Vorteile ihrer Lage auskosten und machen sich auf den Weg zur fußläufigen Meeresbadestelle. Wider erwarten geht es aber nicht in die Fluten sondern die Reisenden marschieren resigniert wieder den Berg hinauf in die Butze, nachdem der einem entspannten Arbeitstag entgegenblickende Bademeister sie aufklärt: Die Kanalisation sei defekt und das Baden verboten. Als hätten sich die Rohre keinen anderen Tag zum Bersten aussuchen können. Als Plan B zieht die Reiseleitung kurzerhand den nächsten Programmpunkt vor: den Besuch der legendären Korbflechterei in Camacha.

Nach endlos mäandernden Serpentinen am Ziel, bleckt Corona den Reisenden ihre häßlich Fratze entgegen. Alles ist verrammelt und verriegeln, nur die Exponate in den Scheiben deuten an, welch filigranes Kunsthandwerk, welch vielfältiger Möbelgenuss hier verborgen bleibt. Den tröstenden Blick auf das Meer stört ein sehr anhänglicher buckliger Bettler, der sich den Wandervögeln als Fremdenfrührer andient. Mit quitschenden Reifen lassen sie das Mekka der Korbflechterei hinter sich und hetzen zum nächsten Punkt auf der Reiseagenda: dem authentischen Bauernmarkt von Santo António da Serra.

Der Reiseführer facht die Vorfreude an: „Der Ort Santo da da Serra ist eher bedeutungslos und ohne besondere Sehenswürdigkeiten. Schweinezucht und Futtermittelanbau gehören neben dem Tourismus zu den Haupteinnahmequelle.“ Als erster Botin des Bauernmarktes begegnen die Wandervögel in einer Haarnadelkurve einer alten Frau, die Vorbeifahrenden Schnittblumen feil bietet. Zwei Kurven weiter genießen zwei Junge Männer den Schatten, der der gewaltige Berg aus zu veräußernden Zwiebeln ihnen spendet. Dass sie auf der richtigen Spur sind, erkennen die Wandervögel an einem Paar Großmütter, die aus einer Bushaltestelle heraus Spitzkohl anbieten.

Derart angespitzt erweist sich der eigentliche Markt als eher unspektakulär. In der non-food-Abteilung gibt es allerlei Unsinn aus Kork und Korb, Lederwaren und aus China herangeschifften Schrott wie Brontosaurierer-Spielzeug mit Drachenflügeln, bekannt aus dem Welterfolg ‚Jurassic Thrones‘. Im food-Bereich gruppieren sich indes Männer auf Kinderstühlen um Kindertische um aus Kinderbechern Bier zu trinken, während sie mit Zahnstochern Nudeln von einem Kinderteller aufspießen. Drei Meter Luftlinie entfernt grillt ein sonnengegerbter Meisterkoch fettige Rindswurst über einer Wanne voller Feuerzeugbenzin. Dazu erdiger Kartoffelduft und das spritzige Aroma von Passionsfrüchten und frisch aufgeschittener Kaktusfeigen – Es ist Landgenuss, den man mit allen Sinnen erleben darf/muss.

Wandervogel 2 überkommt der kleine Hunger, im Anschluss gesellt sich die Reiseleitung hinzu: Burger und Pommer aus der örtlichen Manufaktur aus dem immobilen Foodtruck. Platziert werden die wartenden neben dem Verkaufsbereich der Vogelhändlerin, mitten im Wellensittich-Inferno. Die Wartezeit vertreibt sich Wandervogel 2 mit dem übersetzen der Speisekarte. Alle Farbe schießt aus seinem Gesicht, als er die Bedeutung des ersten Wortes ‚cachorro‘ erfasst. ‚Hund‘. Stammleser und die Protagonisten fühlen sich schlagartig an die China-Anekdote erinnert, in der sich die Weltreisenden Eselburger servieren ließen. Angstvoll übersetzt der Wandervogel weiter. Das folgende ‚quente‘ soll ‚heiß’ bedeuten. Wurst im Brot also? Na dann Mahlzeit.

Als nächste Aktivität hat die Reiseleitung das Walmuseum in Caniçal angepeilt. Der Reiseführer zu Caniçal: „Das kleine Caniçal ist nicht gerade ein Juwel, selbst die Plätze und die Uferpromenade laden nicht zum Verweilen ein – von Fischerromantik keine Spur. Auch die kürzlich restaurierte Kirche ist kein Hingucker.“ Der Umstand, dass der Desinfektionsspender im Eingangsbereich ein schmieriges gallertartiges Sekret von sich gibt, macht die Entscheidung leicht: keine Wale, sondern nichts wie weg.

Als letzte Aktivität hat die Reiseleitung eine Wanderung vorgesehen, bei der die Ostspitze der Insel zur Erkundung ansteht. Knapp drei Stunden geht es bei Regen wie sengender Sonne und frischen Winden über die zerklüftete Landschaft – von Blumeninsel keine Spur. Viele Spuren hinterlassen indes die zahllosen Idioten, die abseits der Pfade durch die Botanik trampeln und für ihre Instagram-Fotos Steine zu pyramidalen Haufen aufschichten. Da Wandervogel 2 nicht alle töten kann, fokussiert er seinen Hass auf die Teilmenge der Spacken, die sich das Naturerlebnis durch stumpf stampfende Chartmusik aus Bluetooth-Lautsprechern erträglich machen müssen. Just als Wandervogel 2 seinen schäumenden Instinkten freien Lauf lassen will, ein Fall von göttlicher Intervention: 180-Grad-Regenbogen. Das sind dann auch die Spacken kurz vergessen.