Gaijin. Japan 2019: Im Rentnerparadies

Die Höllen-Pleite will die Reiseleitung nicht auf sich sitzen lassen und so macht sich Wandervogel 1 daran, das bestmögliche aus Beppu herauszupressen. Gute Vorsätze, die sprichwörtlich auch als höllischer Straßenbelag dienen. So kommt es wie es kommen muss. Erste Anzeichen erscheinen während der Anfrage bei der örtlichen Tourist-Information. „Ein Ort an einem Berg? Gnädige Frau, wir sind hier in der Bergen! Mit einem See?“ Es folgt eine Aufzählung von Ortsnamen mit oder an einem See. Wandervogel 1 unterbricht die Auskunft bei einem vertraut klingenden Namen. „Ach nach Yufuin, soll es gehen?“ Ein verständnisloser Blick. „Na dann viel Spaß, hier sind die Tickets.“

Eine einstündige Fahrt mit dem Rumpelbus später empfiehlt der engagierte Mitarbeiter der Tourist-Information vor Ort einen ausgedehnten Spaziergang entlang des Flusses – mit Blick auf das Bergpanorama – zum See, dessen Idyll dann für die Strapazen der Wanderung entschädigt. Sicher. In der Realität entpuppt sich der Fluß als betonierter Drainage-Kanal, in dem zwei Reiher mit leidlichem Erfolg nach Nahrung suchen. Vorbei an Reisfeldern geht es durch verlassene Vororte und entlang des geschlossenen Sumo-Museums. Dahinter die bewaldeten Berge, die sich mit einem Nimbus der Diesigkeit vor den, nach Idyll suchenden, Augen der Wandervögel verbergen. Alle Hoffnungen ruhen auf dem See. Dem verdammten See. Wehe, der See ist nicht geil.

Der See ist nicht geil. Entgegen der Hoffnung, auf ein beeindruckendes Binnengewässer zu stoßen, präsentiert sich den Wandervögeln ein besserer Karpfenteich. Umgeben von einem befestigen Wanderweg und zahlreichen Fachwerkbau-Gaststätten ziehen hier Rentner ihre Kreise. Kännchen und Sahnetorte, eine Überdosis Starnberger See. Japan präsentiert sich in all seiner spießigen Deutschheit. Wenn Japaner hier ihren Urlaub verbringen, dann ist verständlich, warum so viele lieber arbeiten. Missmutig nagen die Reisenden an ihren 33-Yen-Möhren. Aber Little Starnberg ist erst die Vorstufe – die Vorhölle – der eigentlichen Attraktion von Yufuin, die Wandervogel 1 bei ihrer Vorstellung der Agenda durch ein geschickt platziertes Räuspern hat unter den Tisch fallen lassen: Die Souvenir- und Schlemmer-Hölle.

Wer hier etwas auf sich hält, hat eine Fritteuse oder eine Softeis-Maschine am Start. Gnadenlos ziehen die Kaufleute alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, durch den Teig und werfen es in siedendes Fett – Tempura eben. Das treibt schließlich so absonderliche Blüten wie frittiertes Hackfleisch. Aber auch bei den Milchspeisen drücken die Bergbewohner auf die Innovationstube und bieten haarsträubenden Unsinn wie Blattgold bedecktes Softeis an. Die Menschen mampfen, die Menschen schlecken, die Menschen haben nicht alle Latten am Zaun.

Abgetrennt durch einen solchen ist das Areal mit Themen-Shops. Alle kreisen jedoch um Kleintiere. Im Harry-Potter-Shop darf man Eulen ansehen, im Heidi-Shop Ziegen streicheln und füttern. Die traurigen Entlein und Eichhörnchen stehen ebenfalls für eine kostenpflichtige Fütterung zur Verfügung, allerdings ohne passende Themenwelt. Dafür dann: Prinzessinnen-Shop, Spiderman-Shop (inklusive der wenig bekannten Spider-Katze), Moomin-Shop und Kleine-Raupe-Nimmersatt-Shop (leider ohne fütter- oder streichelbare Raupen). Der Beppu-Fluch reicht eben bis in die Berge. Die Wandervögel kapitulieren und ziehen sich zu einem Supermarkt-Buffet-Dinner an den Strand. Sushi, Eingelegtes und Frittiertes stellen nicht nur das Innere von Wandervogel 1 auf eine harte Probe, sie erweisen sich auch als Insektenmagneten. Immerhin sind die Wandervögel dann nicht allein.