Berlin 17-22 (Jason Lutes)


Für die Umsetzung des dritten und letzten Kapitels seines opus magnum benötigte Jason Lutes acht Jahre. Tatsächlich steckt viel Recherchearbeit in den Heften, die den Zeitgeist der strauchelnden Weimarer Republik sehr gut einfangen – ‚Emil und die Detektive‘ in ‚Babylon Berlin‘. Das Artwork ist stets augenfreundlich und schwankt zwischen detailreichen Stadtansichten und Panelreihen ohne Hintergründe, lieblos mit schnellem Strich gezeichnete Personen, denen sogar Gliedmaßen zu fehlen scheinen.

Seine über Jahre aufgebauten Handlungsstränge um den mit seiner Existenz ringenden Journalisten Kurt Severin, die sich nach einem bohemischen Leben sehnende Martha Müller und das Mädchen Silvia, das in der Jugendorganisation der KPD gegen die Nazis kämpft, führt Lutes hier zusammen. Schließlich sind ihre Geschichten allein nicht fesselnd und nur Träger mit unterschiedlichen Perspektiven für das Bild, das Lutes von einer Republik zeigt, der sich die Nazis langsam aber sicher bemächtigen. Einer Zeit, in der die Stimmung kippt; die angefeindeten Juden beginnen, das zu Land verlassen.

Im Kleinen und Mittleren patzt Lutes; wenn er immer wieder bei den Deutschen Texteinsprenkseln Fehler macht; wenn er alle Männer in Nebenrollen als kranke Jäger darstellt, die Frauen als Beute nachstellen und sie sogar verachten – weil sie lieber über die Falten von Haushälterinnen spotten, als sich Gedanken über ihre knurrende Mägen zu machen; wenn er vorrangig den modernen Klischees der Ära von im Verborgenen ausgelebter Transsexualität Raum gibt. Schließlich verdient sich das Gesamtwerk und der erzählerisch hochwertige letzte Band dennoch einen Platz als historisches Stimmungsbild.

Criminal Vol. 5 1-12 (Brubaker/Phillips)


Es Brubaker und Sean Phillips haben sich mit Phillips’ Sohn Jacob einen neuen Einfärber ins Boot geholt, der die bewährte Elizabeth Breitweiser ablöst. Leider. Ansonsten bleibt es beim Bewährten: In den 80ern sind Männer noch harte Typen, Frauen durchtriebene Verbrecherinnen, Whisky und Zigaretten immer im Bild, dafür Smartphones und ihre Geschlechterrolle ablehnende Jugendliche nicht vorhanden.

Statt einer epischen Geschichte gibt es über das Dutzend Hefte eine fast epische Geschichte, einen Zweiteiler (Gesammelt in ‚Bad Weekend‘) und zwei Einzelgeschichten, die allesamt durch die Protagonisten ineinandergreifen. Das acht Ausgaben lange Epos ‚Bad Summer‘ entschädigt für die unbefriedigend offenen Kurzstücke.

In der Gesamtschau vorzügliche Unterhaltung. Dialoge, die kein Wort zu viel enthalten und auf den Punkt treffen, multiperspektivisches Erzählen, dass der Räuberpistole Tiefe verleiht und das aus vorherigen Runs bekannte Artwork, das trotz neuer Farben immer noch stimmig düster die Härte und Hoffnungslosigkeit des klein- bis mittelständischen Verbrechermilieus einfängt. Bonuspunkte für ‚Joy Division‘-Referenzen.

Black Hammer: Age of Doom 1-12 (Lemire/Ormston & Tomaso)


Schön fängt es an, als stolperte man unverhofft in die Originalserie hinein. Schnell macht Jeff Lemire klar, wo es hingehen soll. Dann verliert alles an Fahrt und wird zu einer Reise im Schneckentempo durch das zähe Kaugummiland. Was sich locker in fünf Ausgaben erzählen ließe – wobei Lemire schon beim Fünfteiler BlackHammer/Justice League ins Schlingern gerät – wird hier auf zwölf Ausgaben für insgesamt 40 US-Dollar aufgeblasen.

Während das Gros der Geschichte trotz vieler inhaltlicher Schleifen und einer viel zu früh preisgegebenen Pointe dank des Artworks von Dean Ormston zumindest ansehnlich ist, sind die von Rich Tomaso ‚gestalteten‘ Ausgaben, in denen sich Lemire dann zudem beim Animal-Man-Grant-Morrison bedient, eine Frechheit. Die Krönung der Geschmacklosigkeit ist das Variant-Cover von Michel Fiffe, das beim Hinsehen schlicht Übelkeit erregt.

Es ist weder spannend, noch berührend, noch interessant zu verfolgen, wie die Ex-Superhelden versuchen ihrem Gefängnis zu entfliehen, nur um nach dem Entfliehen mitansehen zu müssen, wie sie sich nach der heilen Welt, die ihr Kerker in der Rückschau für sie war, zurücksehnen. Aber immerhin in weiten Teilen hübsch anzusehen.

Koshchei the Deathless 1-6 (Mignola/Stenbeck)

Koshchei trat bislang nur als Hellboy-Antagonist in Erscheinung, der ihm schließlich einen Dolch in den Rücken rammte. Doch so wiedersinnig ist der Slawe nicht, wie seine Hintergrundgeschichte beleuchtet. In einer Kneipe erzählt er Hellboy seine Lebensgeschichte und wie er schließlich unter die Knute der Baba Jaga kam, die ihn auf Hellboy ansetzte. [Weiterlesen]

Hellboy and the B.P.R.D. – 1954: Ghost Moon 1-2 (Mignola & Robertson / Churilla)

Warum nicht mal China? Schließlich hat das B.P.R.D. mit Susan Xiang eine chinesische Telepathie im Team. Allerdings kommt sie aus Brooklyn und ist nicht mehr als eine Folie, um mit dem moralischen Zeigefinder auf ethnische Vorurteile zu zeigen. Man trifft sich in Hong Kong mit einem einem britischen Kollegen von klischeehafter Britizität (‚the operation went pear shaped‘). Es folgt die obligatorische Prügelei mit einem Pferde- und einem Rindermonster um ein Artefakt, nach dessen Zerstörung dann auch alles vorbei ist. [Weiterlesen]