Gaijin. Japan 2019: All over now


Die Ohren dröhnen noch vom Getöse der Pachinko-Höllen, aber nach vier Flughäfen und 26 Stunden Rückreise sind die Wandervögel wohlbehalten an der Förde gelandet. Ihr Japan-Abenteuer in chronologischer Reihenfolge.

Gaijin. Japan 2019: Präludium
Gaijin. Japan 2019: Notfall über Perm
Gaijin. Japan 2019: Lebensgefährliches Mario Kart?
Gaijin. Japan 2019: Schnapp den Pikachu
Gaijin. Japan 2019: Ringende Speckbuletten
Gaijin. Japan 2019: Katzenhype in Nikko
Gaijin. Japan 2019: Viel Lärm um Bambus
Gaijin. Japan 2019: Kimono-Overload in Kyoto
Gaijin. Japan 2019: Aller guten Tempel sind drei
Gaijin. Japan 2019: Bauernfrühstück in Hiroshima
Gaijin. Japan 2019: Todesmutige Bergfeger
Gaijin. Japan 2019: Pachinko-Alarm in Beppu
Gaijin. Japan 2019: Die sieben Höllen der Wandervögel
Gaijin. Japan 2019: Im Rentnerparadies
Gaijin. Japan 2019: Lost in Fukuoka
Gaijin. Japan 2019: Maritimes Jedermann-Judo
Gaijin. Japan 2019: Gubbel-Island
Gaijin. Japan 2019: Aquatischer Abschied von Okinawa

Gaijin. Japan 2019: Aquatischer Abschied von Okinawa

Nach der Flucht von der Gubbel-Insel irren die Wandervögel den Resttag durch Naha. Im Inneren des Unsinnsmarktes verbirgt sich der Fischmarkt, der wieder ein interessantes Geheimnis in sich trägt: In ersten Stock bereiten Köche neben eigenen Angeboten im Erdgeschoss erstandene Meeresspezialitäten zu. Da die Wandervögel aber nach ihrer Sushi-Kur weder Lust auf Seegurke noch auf Hummer verspüren, geben sie der örtlichen Miso-Suppe eine letzte Chance. Eine mittelgute Idee. Am Nachbartisch indes gibt es die Familienplatte.

Geschmacklich unbefriedigt plündern die geschmacklich Enttäuschten die örtlichen Supermärkte, um schließlich auf das kulinarische Gold Japans zu stoßen: Nissin U.F.O.-Nudeln, ein durch Glutamat und allerlei Chemikalien perfekt zerwürztes Fertiggericht in einer genialen, die Zubereitung ungemein erleichternden Verpackung. So gestärkt kommt den Wandervögel der Plan, wie sie ihren letzten in Nippon verbringen möchten. Bei den Fischen!

Aufgrund der absoluten Ermangelung tierischer Begegnungen entschließen sich die Wandervögel zu einem Besuch im Okinawa Churaumi Aquarium, dem immerhin zweitgrößten Wasserbecken der Welt. Hier treffen Sie nach zweistündiger Busfahrt dann auf Horden urlaubender Koriander nebst unerzogener Brut, die in völliger Ignoranz der allgegenwärtigen Hinweistafeln ihr Möglichstes tun, um die Kiementräger und Wandervögel zur Weißglut zu treiben. Immerhin die ersteren nehmen es dennoch gelassen.

So ziehen dann meterlange Walhaie (die die Wandervögel in Mexiko um drei Tage verpasst hatten und stattdessen zum Hochsee-Angeln aufgebrochen waren) friedlich neben Mantarochen im Becken ihre Kreise. Das entspannte Treiben der Meerestiere und allerlei akrobatische Kunststücke, die die springlebendigen Delfine zu Ehren der westlichen Gäste aufführen balsamieren die Seele der Reisen in so weit, dass Sie sich nach einer viel zu kurzen Nacht auf die Rückreise machen. Die Wandervögel sagen „Sayonara Nippon!“ in all seiner Finalität.

Gaijin. Japan 2019: Gubbel-Island

Auf der Suche nach mehr robinsonischem Inselflair bucht die Reiseleitung zwei Plätze auf der Fähre nach Zamami. Auf dem Weg zum Eiland machen Monitore die Besucher mit den Gepflogenheiten vertraut: Nicht rumschreien, nicht in Badekleidung durch den Ort, nicht auf die Korallen treten. Anschließend läuft ein Verkaufskanal, auf dem Japaner die Vorzüge eines elektrischen Schnellkochtopfes anpreisen. Aus den Fenstern strandige Inseln in dunstigem blau in ruhiger See. Die Wale haben keine Saison und machen sich entsprechend rar, lediglich neben der Fähre aus dem Wasser schießende fliegende Fische mag Wandervogel 1 ausmachen.

Die Insel selbst erweist sich von angenehm überschaubarer Größe, allerdings auch von unangenehm überschaubarem Leben. Wie durch eine Geisterstadt schleppen die Wandervögel ihre Habseligkeiten zur Herberge, vorbei an aufgebockten, verrostenden Autos und Booten in hinterhöflichen Trockendocks. Doch für Resignation ist keine Zeit, die Meeresfreunde mieten sich Masken und Schnorchel und machen sich rechtzeitig zum Hochwasser auf zum Schildkröten-Strand. Unter Wasser zeigt sich jedoch ein trauriges Bild, graue leblose Trümmer, erst an der abgekordelten Außengrenze bunte Zeichen maritimen Lebens. Als ein Proll sich seiner Angebeteten dadurch beweisen will, dass er ihr zeigt auf Korallen stehen zu können, rastet Wandervogel 1 aus und macht den Naturschänder zur Schnecke. Zum Glück nimmt sie dabei vorsorglich den Schnorchel aus dem Mund. Das Meer kocht.

Auch auf dem Rundgang zum zweiten Schnorchelstrand der Insel zeigt sich diese eher von ihrer öden Seite. „Ist ja eher so Gubbel-Island“, kommentiert die Reiseleitung lakonisch die farbblätternden Häuser und unkrautigen Wege. Nach einer weiteren Schnorchelpartie stellen die Wandervögel die insulare Küche auf eine Probe. So zumindest der Plan, denn schließlich stellt die Cuisine Insulaire die Wandervögel auf eine solche. Schlimmer noch, auch der Club der Heimatfreunde Pirmasens ist mit einer Delegation zu Gast, demonstriert derbe Gemütlichkeit und kulturelle Überlegenheit: „Also ich nehm Leis. Leis mit Biel.“ Schenkelklopfer.

Als die Wandervögel schließlich einkehren wollen, präsentiert der Tag ihnen eine weitere Überraschung. Die gebuchte Legebatterie, in der kaum genug Platz für die Rucksäcke ist, schimmelt, dass sich die Tapete löst. Um den Ungeruch zu maskieren, haben die Betreiber unter den Betten – bewacht von Staubmäusen – Klosteine drapiert. Am Morgen nach der Schimmelnacht konfrontiert die Reiseleitung die Betreiber. Ohne Erfolg, denn einerseits habe man ja Klosteine ausgelegt, und andererseits sei das mit dem Schimmel nun mal so. Schließlich befände man sich auf einer Insel. Dieser Zusammenhang leuchtet den Wandervögeln nicht ein und so packen sie ihre Rucksäcke und verlassen kurzerhand beleidigt und mit belegten Bronchien Gubbel-Island.

Gaijin. Japan 2019: Maritimes Jedermann-Judo

Die Stammleserschaft weiß es: Am Ende gehen sie baden. Auch diesmal soll es nicht anders sein und die Reiseleitung läutet die Badesaison mit einem Trip auf die Insel Okinawa ein. Doch Insel ist nicht gleich Insel – besonders im Fall von Japan, wo alles Insel ist. So kann Okinawa, besser die angeflogene Destination Naha, nur wenige der idealisierten Inselattribute für sich reklamieren. Statt entspanntem Schnorcheln mit Korallen müssen die Wandervögel in Betonschluchten auf Ampelphasen achten, um nicht überrollt zu werden. Da Naha einen Markt besitzt gibt es für die Wandervögel kein Halten. Das Produkt des Tages, zwischen allerlei Wal-Souvenirs, sind fischförmige Hausschlappen.

In der anliegenden Fußgängerzone präsentiert ein Nachwuchs-Kleinkünstler sein Können. Der Fokus liegt auf Jonglage, allerdings steht er offenbar noch am Anfang seiner Karriere und kommt immer dann ins Straucheln, wenn er drei Objekte koordiniert durch die Luft bewegen möchte. Spannender ist da schon das Jedermann-Judo am Ende der Einkaufsmeile. In der originellen Variante verhakeln sich die Judoka mit den Händen im Gürtel des Kontrahenten um diesen schließlich mit Schwung und Kraft in den Sand zu legen. Zur Belustigung der Anwesenden streifen sich auch amerikanische Touristen die weißen Jacken über, müssen sich allerdings mit Trostpreisen zufrieden geben. Ohne Waffe ist der Amerikaner dann aufgeschmissen.

Um den Tag maritim-sportlich ausklingen zu lassen, machen sich die Wandervögel auf dem Weg zu einem der Stadtstrände. Eigentlich naheliegend wird die Anreise durch eine falsche Entscheidung an einer Kreuzung zum Gewaltmarsch. So finden sich die Verirrten schließlich auf einer Autobahnbrücke wieder. Die weiteren Irrungen führen vorbei an einem innerstädtischen Golfplatz und einer Tempelanlage – wie abzusehen bei sengender Sonne und wolkenlosem Himmel. Doch schließlich wendet sich das Blatt und in der Abendsonne kommen die Wandervögel dann doch noch – inmitten ihrem Nachwuchs das Schwimmen beibringenden japanischen Vätern – in den Genuss, sich im abgekordelten Nichtschwimmer-Bereich des Meeres zu versenken.

Gaijin. Japan 2019: Lost in Fukuoka

Sicher kann man viele schöne Dinge tun in Fukuoka, die Wandervögel wollen allerdings nur eins: wieder weg. Der dortige Flughafen soll sie in das Badeparadies befördern. Doch zuvor müssen die Wandervögel es erstmal nach Fukuoka schaffen. So schleppen sie sich und ihre Rucksäcke zum Busterminal von Beppu. Die Ticketfrau konfrontiert sie mit der unangenehmen Tatsache, dass die nächsten Busse ausgebucht seien. Mit einer Reservierung wäre das nicht passiert. Also das Geraffel quer durch die Stadt zurück zum Beppu-Bahnhof. Rein in den Zug nur um festzustellen, dass scheinbar ganz Beppu auf dem Weg nach Fukuoka ist. Immerhin werden so Erinnerungen an die Tokioter U-Bahn wach.

Der Plan ist simpel, einfach die Klamotten einschließen, die Stadt erkunden und dann ab in die Unterkunft. Allerdings scheinen die Wandervögel auch hier einen Nerv zu treffen, denn alle der 1.200 Bahnhofsschließen, die Wandervogel 2 abklappert, sind gebucht. Schließlich hat das Schicksal dann doch ein Einsehen. Auf dem Weg in das Zentrum durchstreifen die Wandervögel die bahnhöfliche Fressmeile, wo sie kurz verweilen. Eine Japanerin schlawenzelt auf sie zu und fragt: „Je-Zuz?“ „Jesus?“, fragt Wandervogel 1 zurück. „Jesus!“, fährt es ihr begeistert entgegen. Die gefundene Gemeinsamkeit lädt die Unbekannte dazu ein, die Wandervögel mit ordentlich Segen zu überschütten. Sie fuchtelt mit den Armen und flüstert vor sich hin. Die Gesegneten nehmen das theatralische Schauspiel gleichmutig zur Kenntnis und fragen sich, ob hier jeder so einfach segnen kann, das wäre ja zu einfach.

Durch den Segen – und womöglich frittierte Speisen – beschleicht Wandervogel 1 ein mulmiges Gefühl und sie beschließt die Unterkunft umgehend zu inspizieren. Vor Ort stellt sich heraus, dass an Ort und Stelle ein Bürogebäude steht. Das monoglotte, aber freundliche Wachpersonal macht sich mit Straßenatlas und fotokopierter Karte daran, den Wandervögeln den richtigen Weg zu weisen. In Hochzeiten sind vier Personen damit beschäftigt, der Orientierungslosigkeit abzuhelfen. Einen weiteren Gewaltmarsch später stehen die Wandervögel vor dem gebuchten Mäusebunker, die Nasszelle in zwei winzige Kammern geteilt. Das „Bad“ so winzig, dass Wandervogel 2 seine Waschung nur vornehmen kann, indem er sich mit einem Bein in die Wanne und dem anderen davor stellt und sich dabei markig den Schädel anschlägt. Fukuoka hat einen ganz schweren Start.

Weit über diesen soll sie nicht hinauskommen. Die flussdurchzogene Betonmetropole wirbt für den nahenden G20-Gipfel. Die Wandervögel indes machen sich daran den Fischmarkt zu inspizieren, auf dem allerdings nur noch die ollen Waren angeboten werden, denn die Händler wollen zeitig nach Hause. Dafür kommt langsam Leben an den Kanal, wo Hobbygastronomen kulinarische Kleinigkeiten in kleinen Buden kredenzen. Das zündende Gericht will sich unter den Suppen und Spießen allerdings nicht finden. Beim den Tag beschließenden Abstecher in eine Spielhalle treffen die Wandervögel auf einen jungen Mann mit einem eigenwilligen Hobby: Konzentriert und gewissenhaft steuert er an einem Spielautomaten von einem Führerstand aus einer Straßenbahn. Und wenn die Haltestelle angefahren und die menschliche Fracht ausgegeben, notiert er in einem Büchlein fein säuberlich die absolvierte Tour. Immer schön ordentlich.