Gaijin. Japan 2019: Bauernfrühstück in Hiroshima

Kyoto ist nach dem Müsli abgefrühstückt und die Wandervögel machen sich auf den Weg nach Hiroshima. Wie es jedoch gute Sitte unter Japan-Reisenden ist, mit einem Zwischenstopp in Himeji, um die Ninja-Akademie aus dem James-Bond-Film zu besichtigen. Tatsächlich ist die Burg bereits vom Bahnhof aus sichtbar und macht einen imposanten Eindruck; vor allem angesichts der Tatsache, dass die Feste zu größten Teilen aus Holz, Seilen und Gips besteht. Damit die guten Dielen keinen Schaden nehmen, heißt es wie so oft: Schuhe aus! Allerdings aber haben die Buttersäure verströmenden Socken von Wandervogel 2 eine viel desaströsere Auswirkungen auf die Bausubstanz als seine Urlaubstreter.

So klettern Hunderte mit knisternden schuhgefüllten Plastiktüten in den Händen durch die Anlage, staunen über die vielschichtigen Verteidigungseinrichtungen und genießen schließlich die Aussicht über die Stadt. Für die Wandervögel nur eine kurze Atempause, dann sitzen sie bereits im Zug nach Hiroshima, das sie mit strömendem Regen begrüßt. Bindfäden. Zum Glück ist die Unterkunft nur sechs Minuten Fußmarsch entfernt. Eine Bettenburg mit 700 Zimmern, in der die Wandervögel im 14 Stock residieren. Damit man die Gelegenheit nicht zum Fenstersprung nutzt, lässt es sich lediglich kippen. Im Erdgeschoss-Supermarkt erstandene Fertiggerichte werden in der Flur-Microwelle aufgewärmt. Doch den Wandervögeln steht der Sinn nach örtlichen Spezialitäten.

Im strömenden Regen wird Wandervogel 2 zum abendlichen Blickfang. Bei der Entfernung des Uganda-Drecks aus den Tevas haben sich Spuren von Shampoo im Fußbett der Sandalen festgesetzt, die sich nun in Verbindung mit den sich auf die Reisenden ergießenden Wassermassen in gut sichtbaren weißen Schaum verwandeln. Das hat selbst die Stadt, die eine Atombombe ertrug, noch nicht gesehen: ein Fuß-schäumender Gaijin. Welterfahren und von Indien- und China-Expeditionen darin geschult, öffentlich verehrt zu werden, erträgt Wandervogel 2 die Aufregung edel mit duldsamem Gleichmut. Ein 1,82 Meter großes Schaubild westweltlicher Exzellenz. Nur eben nass bis auf die Knochen und mit Schaum zwischen den Zehen.

Die vom Reiseführer viel gepriesene örtliche Spezialität, Okonomijaki, wird am Tresen serviert. Der wiederum ist von einer heißen Platte durchzogen, auf der die Speise zubereitet wird. Kein Hexenwerk: Auf ein Rührei schichtet der „Koch“ Nudeln (dünne Soba oder dicke Udong), Weißkohl, Sojasprossen, eine Hand voll Käse und Schwein. Nach dem Vermengen folgt ein weiteres Rührei und der wenig ansehnliche Berg wird vor den Besteller geschoben. Der wiederum macht sich daran, mit einem Spachtel Portionen abzuhacken, diese, wie alles, mit Teriaki-Soße zu verschandeln und mit Stäbchen abzuessen. Geschmacklich ist die „japanische Pizza“ schließlich nicht von einem vertrauten Gericht zu unterscheiden: Bauernfrühstück. Same same, but different.

Auf dem Rückweg zum Hotel unternehmen die Wandervögel einen kurzen Bier-Einkauf in einem Supermarkt. Neben dem Getränk der Wahl erstreckt sich das Angebot auch auf gebrauchte Videospiele und -Konsolen. „Zwei Bier, vier Äpfel und ein originalverpacktes Neo Geo bitte. Und den DS light machen Sie auch noch mal in die Tüte. Arrigato“ Tatsächlich bleibt es dann beim Bier, weil die Bude und das Lager schon voll genug sind von Elektroschrott. Als krönenden Abschluss des Abends will Wandervogel 1 das Hotel-Spa in Anspruch nehmen. Allerdings sorgen japanische Eigenheiten für Stirnrunzeln: strikte Geschlechtertrennung, denn Klamotten sind nicht. Erst Duschen und Waschen, dann ab in das heiße Gemeinschaftsbad um in gleichgeschlechtlicher Gesellschaft die Sorgen des Alltags zu vergessen. Als die alle verflogen sind, werden flugs neue vorstellig: Die Föne werden von ihre Füße cremenden und ihre Haare kämmenden Nackten blockiert. Unbegreiflich für die Reiseleitung, wie lange man mit diesen Tätigkeiten zubringen kann. Pragmatisch beschließt sie, die Eigentrocknung in den 14. Stock zu verlegen. Durch ihr Gebläse verwandelt sie die Vier-Quadratmeter-Legebatterie allerdings in eine Sauna, so dass auch Wandervogel 2 seine Portion Wellness abbekommt.

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