Supersized. USA 2018: Poolboy trifft Methursel

Bei Tagesanbruch trauen sich die Wandervögel aus dem Zimmer, dessen Einrichtung neben einem wie üblich überdimensionierten Bett aus einem überdimensionierten von Teppich eingefassten Whirlpool besteht. Doch für Blubbereien haben die Wandervögel keine Zeit, denn Schwimmtraining im Außenpool steht auf dem Programm. Ein Programmpunkt der aufgrund der Versifftheit der Anlage ersatzlos von der Agenda zu fliegen droht. Kurzerhand schnappt sich Wandervogel 2 den an der Wand hängenden Käscher und betätigt sich als überwiegend unbekleideter sexy Poolboy. Trotz seines engagierten Einsatzes ist das Unterfangen aufgrund löchrigen Arbeitsgeräts zum Scheitern verurteilt.

Alles was das Vorbereitungsmaterial über Jamestown sagte, stellt sich bei Tageslicht als wahr heraus – allerdings geringfügig untertrieben. Die beschauliche 1.500 Einwohner zählende Westernstadt besteht zu 90 Prozent aus Trödelläden, die in der Zeit von Sonntag bis Donnerstag geschlossen sind, damit die Betreiber in der nachbarörtlichen Salzmine ihr Einkommen erwirtschaften können. Das wirtschaftliche Herz des Ortes ist die Tankstelle, verschimmeltes Dörrfleisch die Spezialität. Die Wandervögel lehnen dankend ab und satteln die Hühner in Richtung Santa Cruz. Bei der Ausfahrt aus Jamestown verabschieden sie sich winkend vom einzigen sichtbaren Bewohner, einem Cowboyhut tragenden Mann mit sonnengegerbter Haut und gigantischem Schnurrbart, der ins Nichts starrt und an seinem Bier nippt.

Vorbei an Tesla, Seagate und Netflix steuert Wandervogel 1 die Gurke durch das Silikon Valley. Verkehr, Verkehr, Verkehr und fast alle der Dreckschleudern zum großen Entsetzen nur mit einer Person besetzt. Um vermeintliches Umweltbewusstsein zu belohnen, sind Spuren für „Car Pools“ eingerichtet, Fahrzeuge mit mindestens zwei Insassen. Erweist sich in der Praxis allerdings als wenig praktikabel, wenn auch die Alleinfahrenden ihre Dreckschleudern hier kutschieren. Irgendwie schaffen die Vögel es dann aber doch und können sich an den sonnigen Strand fläzen, den die Rettungssanitäter mit dem Surfbrett auf dem Dach des Einsatzwagens patrouillieren.

Könnten – wenn nicht Methurseln orientierungslos schreiend durch den Sand stolperten. Doch auch die Reisenden müssen aufpassen wohin sie treten, wie Santa Monica scheint auch Santa Cruz bei Obdachlosen hoch im Kurs zu stehen. In schattigen und windgeschützten Ecken liegen sie in ihren Schlafsäcken wie dünstende Raupen. An Schlaf ist für sie nicht zu denken, denn die Flaniermeile ist ein kilometerlanger Jahrmarkt. Schreiende Kinder, Dudelmusik und eine Frittierfett-Brise – die Melange zündet und Wandervogel 1 gibt dem plötzlich aufsteigenden Hunger nach Jahrmarktessen nach. Die Wahl fällt auf Obszönes, ein Corndog, in frittierten Teig eingeschlossenes Würstchen am Stil.

Ab der Strandmeile hält sich der Unterhaltungswert von Santa Cruz in Grenzen, allenfalls die Preisansagen der örtlichen Etablissements sorgen für hochgezogene Brauen. „Eine Kugel Eis? In der Waffel oder im Becher? Fünf Dollar!“ Aber dafür kommt das Eis dann ja auch aus der Manufaktur, wo man nachhaltig zusammenrührt und sicher auch nur Biostrom für die Kühlung einsetzt. Klischeetourist wie er einer ist, kommt Wandervogel 2 nicht umhin sich mit „Santa Cruz“ bestickten Textilien einzudecken. Schliesslich will man ja auch zur Schau tragen, wo man sich so rumtreibt.

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