Supersized. USA 2018: Zellstoff im Tal des Todes

Aus viel zu vielen Western weiß Wandervogel 2, dass es im Death Valley nichts zu trinken oder zu tanken gibt. Aufgrund dieses in seinen Augen wichtigsten Beitrags zur Reiseplanung – kann schließlich Leben retten – wiederholt er sein Fachwissen gebetsmühlenartig, bis Wandervogel 1 auf dem Weg aus Las Vegas eine Tankstelle ansteuert. Sie tut so, wäre ihr diese Idee von selbst nicht gekommen, lobt Wandervogel 2 ausdrücklich für sein Mitdenken und versucht so ihren geheimen Plan voranzutreiben, ihn mittels positiver Verstärkung zu mehr eigenständigem Denken zu führen. Ist die Vergangenheit ein Indikator, ein eher aussichtsloses Unterfangen.

Der Highway ist leer, an seinen Seiten eine Landschaft aus Kakteen, die stumm die erbarmungslos brennende Sonne ertragen. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Entlang der Straße fordern Schilder fortlaufend dazu auf, einen Highway zu adoptieren. Gegen Zahlung eines Betrages tauscht das Innenministerium die Beschilderung aus, um den Adoptierenden zu ehren. Wandervogel gefällt sich in der Rolle des edlen Gönners und kichert debil beim Gedanken an einen „Werdasliest-Stinktnachkäse-Highway“. Es soll jedoch bei dem Gedankenspiel bleiben. Wie wichtig es ist, die Augen bei der Berufswahl weit auf zu sperren, zeigt das Beispiel eines armen Menschleins, das an einer Kreuzung im Nirgendwo ein Schild schwenkt, das für die Investition in ein Neubaugebiet wirbt. Immerhin eine Tätigkeit an der frischen Luft.

Das Death Valley stellt sich schließlich – zurückhaltend formuliert – als ein vergleichsweise vegetationsarmes Gebiet im gehobenen Temperaturbereich heraus. Ein kurzer Ausstieg am Zabriskie Point führt anschaulich die Wirkmächtigkeit einer Klimaanlage vor Augen. Doch lassen sich die Wandervögel nicht von einem weiteren Stopp in Badwater abbringen, schließlich will man am tiefsten Punkt der USA erleben, wie es sich anfühlt, weit unter dem amerikanischen Durchschnittsniveau zu spazieren. Was für eine tolle Idee, dies während einer Hitzewelle zu tun, bei der die Spucke verdampft, bevor sie auf dem Boden aufschlagen kann.

Tatsächlich erweist es sich jedoch als eine gute Idee, dass die Wandervögel bei einer Trillion Grad im Schatten durch die Ödnis spazieren. Eine italienische Ursel, die sich noch Augenblicke zuvor für ihren fotografierenden Begleiter in aberwitzige Posen warf, versucht sich nun in der Imitation einer sterbenden Schildkröte. Auf dem Rücken liegend und die Arme von sich gestreckt versucht der Fotograf durch Anheben ihrer Beine Bewusstsein in ihren Körper zu bringen. Geistesgegenwärtig schnappt sich Wandervogel 1 ihre Wasserflasche und tränkt das Hitzeopfer wie einen Spatz. Schluck für Schluck flößt sie der Diva wieder Leben ein. „Keine Ursache. Gern geschehen. Das nächste Mal aber vielleicht etwas Wasser mit in die Wüste nehmen und nicht so rumspacken?“ Wandervogel rettet Leben.

Die Ausfahrt aus dem Tal des Todes erweist sich für die Wandervögel und ihr Gefährt als eine Belastungsprobe. Gemäß der Beschilderung verzichten sie auf die Verwendung der Klimaanlage, um den ohnehin ächzenden Reiskocher nicht über Gebühr zu belasten. So schnauft die Asia-Büchse mit Insassen durch die sonnenverbrannte Ödnis. Doch das Leben setzt noch einen drauf und alsbald wird die Straße zu einem mäandernden Band, das sich entlang eines Abgrundes durch leblose Berge zieht.

Ein gellender Schrei lässt Wandervogel 2 aus seiner hitzeinduzierten Beifahrerlethargie auffahren. „Taschentuch!“ bellt Wandervogel 1. Von der Stirn rinnende Schweißtropfen haben Sonnenmilch in ihre Augen gespült, die nun wie Feuer brennen. „Schnell!“, herrscht es vom Fahrersitz, die Hände in das Lenkrad gekrallt und die eigentlich elfengleichen Züge zu einer Grimasse schmerzverzerrt. Der Beifahrer kramt auf der Rückbank. „Aaaargh!“ entfährt es Wandervogel 1. „Ich kann nichts mehr sehen!“ Um weitere Aufmerksamkeit auf ihre Lage zu lenken wiederholt sie: „Aaaargh!“ In leichten Schlangenlinien kommt das unstetig geführte Gefährt immer wieder dem tödlichen Abgrund nah.

„Hab ich!“ eröffnet Wandervogel 2 triumphierend der Höllenqualen leidenden Reiseleitung und schwenkt eine Tempo-Packung über seinem Kopf. Von seinem als weltbewegend empfundenen Verdienst berauscht, klatscht er debil in die Hände. Erst der gellende Ruf: „Taschentuch! Jetzt! Aaaargh!“ von seiner Seite bringt ihn zur gewünschten Handlung. Sich in den eigenen Finger beißend nestelt er ungelenk mit den Zähnen an der Plastikverpackung herum, um der Fahrerin schließlich stolz ein zerfetztes Stück Zellstoff zu reichen. Am tödlichen Abgrund vorbei schrammend stellt die Reiseleitung ihre Sehfähigkeit wieder her. Dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen – so kann es gehen im Tal des Todes.

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