Supersized. USA 2018: Die Mormone spiel‘n verrückt

Fast unbemerkt haben sich die Wandervögel bei der Fahrt vom Staudamm – nach Kalifornien und Arizona – in ihren dritten Bundesstaat vorgearbeitet. Ein abendliches Utah heißt die Weltenbummlern willkommen mit… endloser menschenleerer Weite. Allerdings vergrünt sich die Landschaft. Wie die Augenbrauen eines Rentners ragen alleinstehende schiefe Bäume aus der Steppe. Das Nachtlager wartet in Kanab, das mit dem eigenwillig-unsinnigen Motto „Das Hollywood Utahs“ bei Besuchenden für einen ausgedehnten Aufenthalt wirbt. Vom Glanz der Tage, als hier und im Umland Episoden mittlerweile vergessener TV-Serien wie von „Have gun, will travel“ gedreht wurden, ist nur die Fassade geblieben. So schlendern die Wandervögel dann durch eine Westernstadt, die auch in Bad Segeberg stehen könnte. Ein Nest wo Bier nach 18 Uhr nur an der Tankstelle erhältlich ist, die Restaurants um 22 Uhr schließen und Mormoninnen in altbackener Keuschheitskluft die Hotelzimmer wienern.

Das Beste, was Kanab zu bieten hat, offenbart sich Wandervogel 2 erst am nächsten Morgen. Neben dem Frühstückssaal steht, zwischen Tischtennisplatte und Brettspielen, ein House-of-the-Dead-2-Automat. Nach einem Moment überbordender an Geilheit grenzender Lust wird Wandervogel 2 jedoch klar, dass exzessives Lightgun-Geballer so gar nicht in den straffen Reiseplan passen will. Auch wenn sich sicher binnen Kurzem eine Menschentraube um ihn gebildet hätte, weil er immer noch aus dem Effeff weiß, woher die Zombies kommen und weil womöglich endlich mal was Lesenswertes im Kanab Enquirer gestanden hätte: „German hero kicks zombie butt“. Mit Foto (mit umgedrehtem Basecap, lässig die rote Lightgun ausblasend). Weit aufgerissene Augen und Münder, Schreie und Jubel nach den Bossfights, Rosen und Schlüpfer – für all das ist keine Zeit, denn Bryce Canyon wartet.

Wie der Grand Bruder zeichnet sich der Bryce Canyon durch die beeindruckende Abwesenheit von Landmasse aus. In vielfarbigen Sedimentschichten verfolgt man, was das Wasser hier im Laufe der Jahrmillionen angestellt hat und stromert an der tödlichen Tiefe entlang. Auch hier können sich die Lauffaulen mit Bussen zu den schönsten Aussichtspunkten des Parks kutschieren lassen, auch hier holen die Wandervögel eine Extrawurst aus dem Tornister und werfen sich wie diese unter die grillenden Strahlen der Mittagssonne. Sie entschließen sich, den Navajo-Loop abzuwandern, vorbei an sehenswerten Steinformationen wie Thors Hammer, nur um nach Kilometern unter sengender Sonne festzustellen, dass es sich was hat mit dem Loop, weil der Rückweg wegen Sanierungsarbeiten geschlossen ist. Der kameraüberwachte Rückweg, dessen Betreten mit ganz viel Strafgeld und Anschreien belegt ist. Hätte man ja auch vorher sagen können.

So geht es dann alternativlos den Queen‘s Trail entlang, der durch Pinienwälder zu einer Felsformation führen soll, die einer eine Torte vor sich hertragenden Queen Victoria ähneln soll. Begleitet werden die mormonische Waldluft in ihre Lungen saugenden Wanderer von einer Busladung „Koriandern“. Sind diese Menschen aus Südkorea außerhalb ihrer Heimat unterwegs, bilden sie kleine Gruppenverbände. Mit großen Abstand voneinander halten sie fortlaufend Kontakt durch gellende keifende Geräusche, wobei die Lautstärke mit der Entfernung der Gruppenmitglieder zueinander ebenfalls zunimmt. Alleinstehend erkennt man männliche Exemplare am geräuschvollen Abhusten und Ausspucken von Phlegma, die Weibchen sind leicht durch überdimensionierte Kopfbekleidung mit darunter liegender Dauerwelle zu identifizieren. In jedem Fall unerträglich, aber immerhin keine Russen. Denn urlaubende Russen sind die Steigerung der Koriander.

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