Supersized. USA 2018: Enter the La La

Aller Anfang ist Warten. So auch beim jüngsten Abenteuer der Wandervögel, das sie an die Westküste der U.S.A. verschlagen soll. Die Wartezeit auf Abflug vertreiben sich die beiden am Helmut-Schmidt-Flughafen mit dem Studium der sie Umgebenden. RTL2 hat seine Schleusen geöffnet und den Inhalt des Hirnlosenrückhaltebeckens ausgespien. Die vollbärtige Undercut-Saufvereinigung “Schwarze Katze” glüht mit Jim Beam Cola vor und auch die Mädelsabend-Clique, die rein optisch mehr Abend als Mädels sind, dreht mit Piccolo und Dosenprosecco an der Stimmungsschraube. Bevor die um die Krone der guten Laune konkurrierenden Teams starten gibt es noch Stulle. “Ich hab Salami? Wer will Salami?” “Ist das Diät?” “Ich Speck und Käse!” Selten wurde eine große Wahrheit beiläufiger ausgesprochen.

Die sich zu zehrenden 16 Stunden akkumulierenden Flüge beginnen mit einer absurden Ansage. Als Zeichen des Guten Willens solle man doch bitte während der Flüge davon absehen, Gruppen zu bilden. Das könne den Eindruck erwecken, man plane etwas. Daher: Bitte keine Gruppen bilden. Besonders nicht dort wo es besonders verdächtig ist: vor den Klos. So geht Wandervogel 2 dann auch alleine und natürlich kommt es wie kommen muss. Just nach dem Platznehmen, als sich die Hose an die Knöchel schmiegt, ertönt das Bitte-Anschnallen-Signal. Erniedrigender als in einer Flugzeugtoilette kann man Turbulenzen nicht erleben. Immerhin kein Looping.

Die Passkontrolle verläuft wider Erwarten – ungefragt und in bester Absicht hatte das Wandervögel-Umfeld Horror-Geschichten aus zweiter Hand kolportiert – unkompliziert. Doch das dicke Ende kommt, als die Reisenden schließlich mit Sack und Pack das Terminal des L.A. International Airports verlassen wollen. Mit wehender Zunge und gebleckten Zähnen zerrt ein Drogen-Dackel an der Leine seiner Betreuerin, um dies in Richtung der unbedarften Urlauber zu lotsen. Nach gezielter Inspektion stellt sich heraus, dass der Dackel lediglich einen ausgezeichneten Geschmack besaß und der betörende Geruch von 10.000-Kilometer gereisten Pastrami-Käse-Stullen seine Instinkte weckte. So schließt sich der Kreis aus Stullenhäme.

“We’d like to collect our Mietwagen!”, tönt es aus den Kehlen der Wandervögel beim Betreten von Thriftys-Autovermietung. Was in fünf Minuten erledigt sein könnte zieht sich über eine halbe Stunde voller wichtiger Hinweise zu Land und Leuten, dem unvermeidlichen Verweis der Servicekraft auf die Deutschen Wurzeln und das vernuschelte “Dankeschön” und die Versuche den Wandervögeln einen Hummer zu vermieten oder ein SUV oder zumindest doch einen BMW, denn das sei ja urdeutsch und in den U.S.A. sei ein großes Auto ja das Wichtigste überhaupt. Symbol von Status, Garant für Sicherheit und überhaupt und sowieso. Die Wandervögel lehnen dankend ab und pochen auf ihre Nissan Stufenhecklimousine und auch der ambitionierte Versuch den Reisenden die All-Inclusive Premium Spezialversicherung zu verkaufen scheitert. All der Smalltalk vergebens, all die Freundlichkeit verflogen, dann nehmt eben den Reiskocher und eure Basis-Versicherung und dann geht mit Gott aber geht. Machen die Wandervögel. Auf Wiedersehen.

Wie von einer 14-Millionen-Menschen-Metropolregion aus Autoversessenen nicht anders zu erwarten, ist der Straßenverkehr trotz Vierspurigkeit in jeder Richtung strukturell und funktional defekt. Durch die iPhone-Navigation gestützte Beifahrerkompetenz von Wandervogel 2 leidet Wandervogel 1 durch den stockenden Feierabendverkehr von Los Angeles – eine der ungünstigsten Gelegenheiten erstmalig ein Fahrzeug mit automatischem Schaltgetriebe zu führen. Vorbei an Werbe-Billboards, Einkaufszentren und ganz wenig Grün geht es zielstrebig nach Hollywood; wo die Stars und Sternchen wohnen, die Reichen und Schönen und – wie sollte es anders sein – das Motel der Wandervögel auf die Reisenden wartet.

Zum Spottpreis von 100 US-Dollar die Nacht – „Frühstück“ aus Donuts und Keksen inbegriffen, dürfen die Wandervögel ihre Ausrüstung und sich in ein überdimensioniertes Bett plumpsen lassen. Um dem Jetlag entgegenzuwirken entschließen sich die beiden noch zu einem Bummel über anliegenden Walk of Fame. Die Sehenswürdigkeit entpuppt sich als eine vielbefahrene Straße, auf der Proleten, und solche die es werden möchten, ihre aufgebohrten Knatterkisten unüberhörbar spazierenführen. Gesäumt von Geschäften vollen Tand und Menschen in Batman-, Superman- und (ganz neu) Spider-Man-Captain-Amerika-Kostümen auf Touristen lauern, lassen sich zahllose eingelassene Sterne betreten. Wandervogel 2 kann sich mit dem Posieren auf der Ehrenmarke von Michael Jackson einen Lebenstraum erfüllen. Dann geht es weiter vorbei an Klischee-Gangstern die sich „Homie“ und „Crazy Ass Nigger“ ansprechen, stets bedacht nicht über die Obdachlosen zu stolpern, die es sich auf dem Gehweg nach 22 Uhr bequem machen. Welcome to La La Land – the land of opportunity.