Chop Chop. China 2017: Ton, Steine, Bazillen


Mit 230 Sachen schießen die Wandervögel über die Lande. Der „silberne Aal“, die hiesige Variante des ICE, soll die beiden von Heidelberg nach Xi’an bringen. Die Zugbegleiterinnen sind resolut, stopfen herunterhängende Rucksackriemen in die Hutablagen, rasen mit dem Mitropa-Wagen den Gang entlang und wischen während der knapp dreistündigen Fahrt sogar naß durch. Die eigentliche Fahrt ist jedoch, wie auch die Ankunft in Xi’an unspektakulär – oder die Wandervögel mittlerweile zu abgekocht.


Dennoch spürt Wandervogel 2 untrüglich, dass er sich etwas aufgesackt hat. Womöglich sind Bazillen aus dem allgegenwärtig aufklatschenden Chinesenrotz in seinen Organismus gelangt. Die Luft ist raus und der malate Rest fährt auf 10 Prozent Leistung. Er ist schließlich so geschwächt, dass er nicht mal über den Penis-Mann lachen kann, der sich Glied und Hoden über den Bund seiner Jogginghose geklemmt hat und in dieser genitalen Drohhaltung in der Straßenmitte stehend versucht, den Verkehr in Xi’an zum Erliegen zu bringen. Allerdings sorgt die verkehrliche Verstopfung immerhin dafür, dass die Wandervögel unangefahren den Busbahnhof von Xi’an erreichen, von wo sie zur nächsten Attraktion aufbrechen.


So geht es in drei Flugzeughangars vor der Stadt, in denen die Reste davon ausgestellt sind, was Bauern 1974 bei einer Brunnenbohrung fanden. Tausende mehr oder minder gut erhaltene mannshohe Kriegerstatuen stehen in Reih und Glied und bewachen das Grab von Chinas erstem Herrscher Qin Shi Huang. Ganz so spektakulär wie es die Wandervögel sich ausgemalt haben, ist der Scherbenhaufen dann allerdings doch nicht. Zumal auch hier wieder die kulturimperialisitische Seite der chinesischen Volksseele zu Tage tritt: Viele womöglich interessante Ausführungen in der Landessprache, lediglich Verhaltensregeln für die Gweilos, denen man allenfalls ein verächtliches Lächeln schenkt, wenn man sie mit überzogenen Knödelpreisen abzockt.


Im Laufe des – wie üblich sengenden – Tages vollendete Wandervogel 2 seine Metamorphose von einem stattlichen Mann in einen knapp Doppelzentner schweren Sack nasser Haferflocken und Rosinen: fiebrig, aufgequollen, orientierungslos. Doch das Programm ist noch nicht zu ende und führt noch in das Muslim-Quarter von Xi’an, wo laut Reiseführer exotische Gaumenfreuden lockend warten. Tatsächlich säbeln hier zahlreiche Takke-tragende an Rindern herum und spießen Fleisch auf, als gäbe es kein morgen. Wandervogel 2 kollabiert vor einem Hotpot-Etablissement, wo allerlei Unsinn an Spießen in am Tisch kochender Brühe versenkt wird. Das Ergebnis ist schließlich eher ‚mittel‘ und für Wandervogel 2 ohnehin lediglich Fragment – kulinarisch wie mnestisch.


Irgendwie schafft es Wandervogel 1 den Ballast in die Herberge zu schleifen, in die Koje zu wuchten und mit kalten Umschlägen und guten Zureden (hier: „Jetzt halt doch mal die Klappe, damit ich Dir den Lappen auf die Omme legen kann!“) [Anm. WV1: „Ich habe nicht ‚Omme‘ sondern ‚Stirn‘ gesagt!“] das Leben zu retten. In einem Fiebertraum findet sich Wandervogel 2 in einem Ferienlager mit Donald Trump wieder, der ihn absichtlich unsittlich berührt. Wandervögel 2 weist Trump darauf hin, dass er ihm bei einem wiederholten Fehlverhalten dieses „den Behörden“ melden und ihn gegebenenfalls auch verprügeln würde. Der Thriller endet kurz vor der Eskalation durch das von den mit ihrer Zimmertür knallenden Nachbarn provoziertes Aufwachen.


Durch eine ausgiebige Regenerationsphase ist Wandervogel 1 in der Lage die Systeme von Wandervogel 2 zu etwa 80 Prozent wieder herzustellen. Ausreichend, die weiteren vergleichsweise überschaubaren Attraktionen von Xi’an abzuhaken. Im Wesentlichen ist das schließlich die Giant Wild Goose Pagoda, ein historischer Sakralbau mit umliegender Parkanlage. Als sich die Wandervögel hierin zu kurzer Rast niederlassen, kommt es wie es kommen muss: die Fans nutzen ihre Chance für ein Foto mit dem Idolen. Geduldig posieren die Wandervögel mit ihren charmantesten Lächeln mit jungen Chinesinnen und Chinesen. Wie üblich verkippt das Ganze schließlich, als vielköpfige Familien darauf bestehen, die Wandervögel in Gruppenbilder zu integrieren. Aber die Wandervögel lassen sich nichts anmerken und strahlen, als wären Weihnachten, Ostern und Steuernachzahlung auf einen Tag gefallen.So sind sie… alles für die Fans!

3 Gedanken zu „Chop Chop. China 2017: Ton, Steine, Bazillen

  1. Gabs im silbernen Aal auch ein wenig Entertainment übers Feudeln hinaus? Bei mir lief ein Sissi-Film. Man kann also nicht sagen, dass sie sich keine Mühe geben, es den Touris heimisch zu machen 😉
    Gute Besserung!

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