Chop Chop. China 2017: Maler und Lackierer


Für den ersten Tag im Land des Speiens hat Wandervogel 1 ein straffes Programm zusammengestellt. Zunächst geht es durch die engen Gassen der Umgebung. Die Pekinesen nennen diese Viertel voller Wäscheleinen und ungewöhnlich vieler öffentlicher Bedürfnisanstalten „Hutong“. Der gewundene Weg führt zu zwei Türmen, dem Drum- und Bell-Tower, in denen Chinas größte Glocke und zahlreiche Trommeln aufgestellt sind. Bevor es diese jedoch zu bestaunen gibt, müssen sich die Wandervögel entlang steiler Steigen über viele Stufen quälen. Dafür entschädigt der Ausblick über die umliegenden Hutzelgassen, nicht jedoch für das Gezeter, der von ihren Eltern verzogenen Mini-Pekinesen.


Das anschließende Vorhaben, die Verbotene Stadt durch den Hintereingang zu betreten, stellt sich als mittelschlau heraus. Um einem zermürbenden Fußmarsch vorzubeugen, entscheiden sich die Wandervögel für den Bus zur offiziellen Eingangstür. Nachdem die maximale Tragfähigkeit des Gefährts bis über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus ausgereizt wurde, startet die Fahrt – die sich wider Erwarten als vollkommentierte Touristenrundreise herausstellt, was in der Rückschau den vergleichsweise horrenden Ticketpreis erklärt. Zu schrillem verzerrten Quäken aus miesen Lautsprechern geht es um die Sehenswürdigkeit. Während die Wandervögel schließlich die roten Mauern durchschreiten, werden sie unverhofft Zeugen chinesischer Handwerkskunst: Ein Trupp missmutiger Arbeiter soll der Fassade einen neuen Anstrich verleihen. Dabei stellt sich heraus, dass der wohl telefonisch erteilte Auftrag: „Rot!“ Nicht spezifisch genug war. Fortan rahmt ein farbfleckiges rotes Kunstwerk das Porträt des großen Vorsitzenden. Am nächsten Tag werden wohl Köpfe rollen, wenn die Maler-Ausrede, nach dem Trocknen sähe alles super aus, sich als billige Lüge entpuppt.


Die verbotene Stadt besteht aus einer Reihe von für den Publikumsverkehr gesperrten Hallen, die durch weitläufige Höfe miteinander verbunden sind. In den Hallen befinden sich meist abgewetzte ungemütliche Sitzmöbel, von denen aus der Herrscher seine Ansagen machte. In verwaistem Zustand ist der Eindruck dann nicht mehr ganz so imposant – was andere Besucher nicht davon abhält, dutzende Fotos von den verwaisten Sitzmöbeln zu machen. Royal geht halt immer beim gemeinen Volk.

Der nächste Stop des ersttäglichen Gewaltmarsches ist der Jingshan Park, eine Grünanlage auf der Rückseite der Verbotenen Stadt. Aufgeschüttet aus dem Geröll, das für den Burggraben der Kaiserresidenz abgegraben wurde, soll der Park gutes Feng shui bringen und Staub abhalten. Im Wesentlichen dient Jingshan jedoch mittlerweile Rentnern als Bühne für ihre Bewegungsspiele. Betagte Pekinesinnen tanzen mit Gymnastik-Girlanden über Waschbeton, ein Hauch von Vergänglichkeit weht durch Beijing. Doch davon lassen sich die Wandervögel nicht runterziehen und setzen den Todesmarsch fort.


Hunger treibt die Reisenden zu einem sagenumwobenen Food Market. Doch die Welt dreht sich schneller, als der Verlag mit dem Auflegen des Reiseführer nachkommt. Irritierte Pekinesen antworten auf die wohl formulierten Wegfragen mit ahnungslosem Achselzucken, bis schließlich dämmert, dass die Fressmeile ihre Tore dauerhaft geschlossen hat. Doch Peking ist groß und knapp einen halben Kilometer vom angepeilten Standort entfernt findet sich ein alternatives Fressmekka. Sich windende Skorpione auf Spießen, Würstchen am Stock und Allerlei Unsinn aus dem Meer tischen die engagierten Straßenköche auf.


Die Wandervögel mampfen sich durch Frühlingsrollen, die sie mit überteuertem Joghurt und verbrecherisch vermittelten Dumpling-Klopsen („Angefasst! Bezahlen! Gleich fünf Stück! Danke, bitte, weitergehen!“) beschweren. Als Absacker gönnen sich die beiden Reisenden in einer Seitengasse stattliche Biere. Vergällt wird der Genuss allerdings durch eine der Jingshand-Rentnerinnen, die in nervtötender Weise Weisen aus der Peking-Oper vorträgt. Die Bilanz: 21,8 Kilometer, zwei Blasen unter den Füßen, einmal amtlich über den Tisch gezogen.

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