Supersized. USA 2018: Radieschen auf der Hochbrücke

Zum Abschluss ihres USA-Abenteuers wollen die Wandervögel noch einmal Metropolenluft atmen und fahren zurück durch Silicon Valley nach San Francisco. Auf den ersten Blick aufgeräumt und gepflegt offenbart die Stadt alsbald ihre häßlich Fratze. Schwer genug, überhaupt einen Parkplatz zu finden, erweisen sich die örtlichen Parkuhren als ungebührlich gefräßig aber gar nicht wählerisch. Wie alles kann man auch die Wegelagerer mit der Kreditkarte bezahlen. 20 Dollar die Stunde sind da gar kein Problem. So werden die sich als Enttäuschung herausstellenden Comic-Fachgeschäfte im Schnelldurchgang abgehakt und der Besuch bei den Pink Ladies, pastellne angemalte Häuser, gleich mit erledigt.

Die steilen wie gefälligen Straßen stellen für die Fahrkünste von Wandervogel 1 kein Problem dar. Erst als die Straßenbahn bimmelnd ihr Kommen ankündigt, weht eine Brise von Nervosität durch den Wagen, die aber alsbald verfliegt. Nächster Kandidat auf der Wahrzeichen-Liste ist die Golden Gate Bridge, die sich schüchtern in dunstige Schwaden hüllt und sich so den fotografischen Annäherungen zu entziehen versucht. Aber nicht mit den Wandervögeln! Spontan setzt die Reiseleitung den Programmpunkt „Gewaltmarsch“ auf die Agenda. Erst wenn die Brücke rot strahlend im Kasten ist, gibt es Feierabendbier.

Entlang der Promenade zeigt sich, dass auch San Francisco ein Problem mit Obdachlosigkeit zu haben scheint. Zauselbärtige mit in Fetzen hängenden Hosen starren ins Leere – womöglich aber auch der neueste Trend, den die Wandervögel, ob ihrer Engstirnigkeit nicht als solchen erkennen. Doch der Blick ist stark auf das maritime Wahrzeichen der Hipsterstadt fixiert, das mittlerweile in greifbare Nähe gerückt zu sein scheint. Wären die Wandervögel nicht falsch abgebogen und unter der Brücke statt auf selbiger gelandet. Kehrtwende und Unermesslich weit zurück, durch die Rabatten und auf den Berg. Siehe da, nach einem zweieinhalbstündigen „Spaziergang“ (Zitat Reisebroschüre) blicken die Reisenden durch Maschendraht auf das Bay, lassen sich durchpusten und von einem Wal mit der Schwanzflosse grüßen.

Für den zweiten Tag Frisco steht ein Rundgang auf der Gefängnisinsel Alcatraz an. Als sich die Wandervögel im Eingangsbereich der Unterkunft mit Kaffee zu wecken versuchen, schwäbelt es sie von der Seite an. Der kulturelle Magnetismus bricht sich Bahn und die Wandervögel werden Opfer eines süddeutschen Päarchens, das seine Reiseerlebnisse teilen muss. Besonders Sacramento hat er ihnen angetan „do isch desch so sauba, fascht als wie wemma bei unsch zu Haus isch.“ Die Wandervögel verabschieden sich mit Verweis auf eine bald ablegende Fähre, bevor die Schwarzwaldkönigin ihre Drohung wahr macht, die besten Schnappschüsse zu zeigen.

Nach zwei Fährtouren und einem Gefängnisinselrundgang, haben die Wandervögel schön die Lampen an. Trotz exzessiven Cremens sehen sie aus wie Radieschen on Tour. Zur Abkühlung will sich Wandervogel 1 in einem Diner einen Traum erfüllen und 1.000 Kalorien durch einen Strohalm saugen: Milchshake-Alarm. Während sie gegen die cremigen Massen kämpft, verfolgen die Wandervögel ein rührendes Schauspiel: Ein wenigzahniger, zerlumpter Obdachloser mit halbverdauter Nase torkelt in den Laden und das Debakel scheint absehbar. Tatsächlich aber trottet hinter dem Menschlein ein Päarchen, dass dem Hobo ein Essen spendiert. Rührend.

Um den letztabendlichen Absacker zu erstehen, treibt es die Reise-Radieschen in einen Schnappsladen. Während sich Wandervogel 2 durch eine vielfältige Auswahl exotischer Biersorten quält, greift Wandervogel 1 zielsicher in die Kühltruhe und greift sich das größte verfügbare Eis. An der Kasse dann der Ritterschlag des betont lässigen farbigen Kassierers: „You from Santa Cruz? Just wondering with the Shirt and all?“ Einmal vernünftig verbrannt und in die korrekte Kluft geschlüpft, schon geht man als einheimischer Gammelsurfer durch.